
Dubstep-Held Ghostpoet live in Wien.
Wien - Die Wiener Veranstaltungsreihe Run Vie - Festival For Urban Art & Music besteht seit 2009. Dank einer bestens in der Stadt verankerten Clubkultur und einer allwöchentlich mit neuesten Vinyl-Kostbarkeiten über die Tanzflächen hereinbrechenden, ständig nachwachsenden Armada von DJ-Legionären mit Miles-&-More-Bonus ist das Studium neuester Mikrotrends in den Clubs ja möglicherweise noch immer so reizvoll wie seit 20 Jahren. Am nächsten Morgen ist man dank Verlust des Kurzzeitgedächtnisses ohnehin nicht immer klüger.
Warum dieses Festival also eigentlich existiert, kann selbst die Run-Vie-Home-page nicht verraten. Solange aber die eingeflogenen Acts sowie heimische Künstler ein derartiges Niveau halten, wollen wir damit zufrieden sein.
Am Wochenende gestartet, erreicht Run Vie dieser Tage zumindest vom Neuigkeitswert her seinen Höhepunkt. Bevor es am Samstag in der Ottakringer Brauerei und in der Pratersauna sein Finale erreicht, gastiert etwa morgen, Dienstag, 6. 9., der Münchener DJ und Produzent Christian Prommer mit seiner "Drumlession" im Porgy & Bess. Der von Projekten wie Fauna Flash, Trüby Trio oder Voom:Voom bekannte Drummer sucht an der dünnen Schnittstelle von Jazz und Techno Neuland zu erobern. Obwohl der Patient dabei stirbt, gelingt die Operation.
Am Donnerstag kann man im Wuk zwei der derzeit führenden Acts im Umfeld der Dubstep/ Grime-Szene Londons erleben. Obaro Ejimiwe alias Ghostpoet gilt hier als weitere Entdeckung des Jahres. Zu Gänsehaut machenden Geisterhaus-Sounds aus dem Londoner Underground sprechreimt der junge Mann mit hoher, diskanter Stimme kunstvolle Verse über die Schattenseiten eines Lebens in der Metropole.
Die Krise des Westens findet bei Ghostpoet ihre optimale wie etwas unrund machende akustische Entsprechung. Das Debütalbum Peanut Butter Blues & Melancholy Jam gilt in der inflationären Szene neben dem Debüt eines James Blake oder dem konsensfähigeren Jamie Woon als Ereignis. Ergänzt wird der Abend vom nordbritischen Trio Darkstar. Mit ihrem sich neben Grime/Dubstep auch auf den Synthiepop von The Human League berufenden Sound der CD North pumpen und blubbern auch sie nicht gerade in der froher Sonntagstracht daher.
Am Freitag tritt im Mak schließlich eine Legende des Detroit Techno auf. Gerald Donald von Drexciya spürt als Dopplereffekt den Pionieren Kraftwerk nach. Boing Bum Tschak. (Christian Schachinger, DER STANDARD - Printausgabe, 6. September 2011)