
Rund um das Werksgelände des chinesischen Autokonzerns BYD in Shenzhen gibt es geschäftiges Treiben. Der Eindruck täuscht: Hinter den Kulissen wird nach Einsparmöglichkeiten gesucht.
Shenzhen - Auf dem Shenzhener Werksgelände des Auto- und Batterieherstellers BYD (Build your dreams) erfüllen sich für Mitarbeiter Träume. Sie haben ihre umweltfreundlichen Pkws dank Subventionen und Firmenrabatten günstig bekommen. Sie dürfen sie gratis aufladen. F3-Hybrid-Pkw parken in Reihen vor Stromzapfsäulen. Für die Kompaktautos haben Peking und Shenzhen mit Zuschüssen rund die Hälfte der umgerechnet 18.000 Euro an Kosten bezahlt. Die Wagen können mit aufgeladenem Akku 60 km weit fahren.
Auf den ersten Blick wirkt BYD geschäftig nach innen wie nach außen. Riesige Autotransporter fahren in das Werk hinein, um F3-Auto-Modelle mit Benzinmotor aufzuladen. Längs der Straße warten mit Autos befrachtete Schwerlastwagen auf das Signal zur Abfahrt.
Dem als Wunderkind des Automobilbaus gefeierten Konzern, an dem der US-Investor Warren Buffett knapp zehn Prozent des Aktienkapitals hält und mit dem Stuttgarts Daimler-Konzern im Joint Venture ein Elektroauto entwickelt, geht es offenbar gut. Der Augenschein trügt. BYD sitzt in Wirklichkeit tief in der Krise.
Chinas Wirtschaftspresse verbreitet Hiobsmeldungen. Nach anhaltenden Verkaufs- und Profiteinbrüchen habe die Konzernführung ihre sechs Verkaufsorganisationen halbiert. Von 2700 Autoverkäufern sollen noch 800 Mitarbeiter bleiben dürfen.
Gesamtkonzernsprecher Paul Lin widerspricht nicht den Zahlen, sondern nur den Folgen des Abbaus in der Verkaufsorganisation. "Wir haben niemanden entlassen. Es ist ein normaler Personalwechsel innerhalb der BYD-Vertriebsgesellschaft, die nach innen wie nach außen künftig bessere Dienste leisten soll."
70 Prozent Personalabbau als Optimierung zu bezeichnen ist ein dreistes Understatement. BYD, die in zehn Fabriken in China mit gut 200.000 Beschäftigten Batterien, Autos, E-Busse und Elektronik produziert, habe mit dem Abbau in ihrer Verkaufsorganisation eine Notbremse gezogen.
Hauptverlierer im Superjahr
BYD ist der Hauptverlierer im Superautojahr 2010 geworden, als fast alle anderen Autokonzerne Rekorde meldeten und VW, Audi, Mercedes oder BMW von Traumverkäufen schwärmten. Shenzhens Wunderfirma musste dagegen ihre Verkaufsziele von 800.000 auf 600.000 Wagen reduzieren. Am Jahresende 2010 hatte sie nur 520.000 Wagen abgesetzt.
Der freie Fall nach unten hat sich im ersten Halbjahr 2011 fortgesetzt, obwohl der Autokonzern seine Preise für seine F3-Kleinwagen um 20 Prozent auf unter 5500 Euro senkte. BYD verkaufte bis Ende Juli rund 260.000 Autos, 19,3 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2010. Die Nettogewinne des Konzerns fielen im Halbjahr 2011 um fast 90 Prozent. Automotive News China berichtete, was BYD-Präsident Wang Chuanfu in Hongkong den Aktionären sagte. BYD sei Opfer der Ende 2010 ausgelaufenen Steuervergünstigungen für Kleinwagen geworden, die Peking für seine Konjunkturankurbelung 2008 eingeführt hatte. Und dann noch selbstgemachte Fehler, etwa den Vertrieb "überaggressiv" ausgebaut zu haben.
Zeitungen nennen die Probleme von BYD auch ein böses Omen für die vor einer Dämpfung stehenden, überhitzten Autokonjunktur. Im ersten Halbjahr 2011 wuchs sie nur noch mit 5,8 Prozent. Über 30 Prozent waren es im Vorjahr, als in China mehr als 18 Millionen Autos abgesetzt wurden und das Autogeschäft rund 2,5 Prozent zum Gesamtwachstum beitrug.
BYD hilft auch nicht der Sprung in die Elektromobilität. 2010 holte Wang den Vorstandschef der Daimler AG, Dieter Zetsche, ins Joint-Venture-Boot. Beide Firmen wollen bis 2013 auf der Basis der Mercedes-B-Klasse ein Elektroauto für den chinesischen Markt entwickeln. Die Kooperation "macht problemlos Fortschritte", sagt BYD-Sprecher Paul Lin. "Wir haben Design und Form des ersten Elektrowagens abgeschlossen und sind nun mit der Versuchsproduktion zugange. Das erste Modell wird in China 2013 eingeführt."
Doch auch bei Elektrofahrzeugen scheint sich BYD zu verheben. Weder private Käufer noch Chinas Regierung springen wie erhofft auf. Sprecher Lin gesteht den schleppenden Verkauf bei den F3- DM-Hybrid-Plugin-Kleinwagen. BYD hat 2010 nur wenige hundert Stück verkaufen können. (
Johnny Erling aus Shenzhen, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.9.2011)