Der Besucher war höflich, aber nicht sehr diskret. Unangemeldet hatte er an der Tür geläutet und, weil niemand da war, per Post-it einen Rückruf verlangt. Beim späteren Termin sah sich der Fremde interessiert in der Wohnung um. Schreibtisch und Computer wollte er etwa sehen, und ob im Arbeitszimmer eh kein Bett steht.
Eine alltägliche Prüfung des Finanzamts, wie sie jeden Steuerpflichtigen treffen kann. Jeden? Nein, einer Gruppe will Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) die behördliche Neugier partout ersparen: Vermögenden. Sie wolle nicht in der Privatsphäre der Bürger herumschnüffeln, führt Fekter als Einwand gegen eine Vermögenssteuer an. Wo komme man denn hin, wenn die "Steuerpolizei" in Häusern nach Perlenketten, Teppichen oder Bausparern fahnde?
Nimmt Fekter ihr Argument ernst, müsste sie umgehend die eigenen Beamten zurückpfeifen. Denn die sind schon heute nicht so zimperlich, wie ihre Chefin suggeriert. Bei Einkommensteuererklärungen prüft die Finanz selbstverständlich fallweise nach, ob die Angaben stimmen. Für jedes Sachbuch, für jeden Füller, der als beruflich bedingte Ausgabe abgesetzt wird, müssen Bürger dann Rechnungen vorlegen - selbst wenn es sich um Bagatellbeträge handelt.
Intensiv "schnüffeln" Behörden überdies bei Pflegeheimbewohnern und Beziehern der Mindestsicherung: Wer von diesen Vermögen besitzt, wird zur Kasse gebeten. Aber das sind vermutlich ja auch keine "Leistungsträger". (DER STAANDARD, Print-Ausgabe, 6.9.2011)