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Da ist sie, die personifizierte Verbindung zwischen 9/11 und dem Arabischen Frühling, nach der gerade jetzt so sehr gesucht wird. Sie sieht jedoch anders aus, als es sich die Cheneys dieser Welt, aber auch die Revolutionsromantiker, die an eine völlig neue Ära glauben, wünschen. Denn sie hat das Gesicht von Abdel Hakim Belhaj: Jihadist einer Al-Kaida zugerechneten Gruppe, CIA-Folteropfer und Mitglied der neuen Führungskaste in Libyen, deren Geburtshelfer die Nato war.
Belhaj ist einer der Gründe, warum das benachbarte Algerien des Umsturzes in Libyen nicht recht froh wird: In Algier glaubt man nicht an die demokratische Wandlung des Gründers der LIFG (Libyan Islamic Fighting Group) mit engen Verbindungen zu den algerischen Islamisten, die in den 1990er-Jahren im Kampf gegen das "vom Islam abtrünnige" Algerien zehntausende Zivilisten abschlachteten.
Belhaj, geboren 1966, der jetzige "Militärchef von Tripolis", kennt aber nicht nur die algerischen Jihadisten, er kennt sie alle. In den 1980er-Jahren schloss er sich dem Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan an. Nach dem Sieg der Mujahedin gehörte er zu jenen "Heimkehrern", die die Ideologie in ihren Heimatländern verbreiteten. Seine LIFG, die in den 1990ern das Gaddafi-Regime bekämpfte, unterhielt in Afghanistan Trainingslager, wo Militante für alle Jihad-Schauplätze trainiert wurden. Nach dem Sturz der Taliban hielt sich Belhaj in Pakistan auf und zog von dort in den Irak. Die Libyer stellten das größte ausländische Jihadisten-Kontingent dort.
Als Gaddafi 2003 auf seine Massenvernichtungswaffenprogramme verzichtete und mit den USA zu kooperieren begann, war Belhaj - alias Abu Abdullah al-Sadiq - eines der Geschenke, die die CIA Gaddafi machte. Auf einem Flug nach Malaysia, in Begleitung seiner hochschwangeren Frau, wurde er geschnappt und seinen Angaben nach in Bangkok erst einmal von der CIA gefoltert und dann nach Libyen verbracht.
Dort saß er 2011 im Gefängnis, als die Revolution ausbrach. Der hochnervöse Gaddafi ließ im März hunderte Islamisten - unter ihnen Belhaj - frei, nachdem sie schriftlich auf einen Jihad gegen sein Regime verzichtet hatten. Übrigens war Gaddafi-Sohn Saif al-Islam der Initiator eines Programms der libyschen Regierung für die Reintegration von Islamisten, das in der arabischen Welt als musterhaft galt. Vielleicht hat es ja bei Belhaj wirklich angeschlagen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 6.9.2011)