Im September 2011 würdigt kinovi[sie]on das Werk zweier außergewöhnlicher Frauen der österreichischen Filmgeschichte. Louise Kolm (geborene Veltée, spätere Fleck) war die erste Regisseurin Österreich-Ungarns und nach Alice Guy-Blaché die zweite Frau weltweit, die sich als Filmemacherin behaupten konnte. kinovi[sie]on macht in Kooperation mit Klangspuren Schwaz am 12. September ein rares Werk dieser Stummfilmpionierin wieder hör- und sichtbar: "Die Ahnfrau" (A 1919), live am Flügel: Sir George Benjamin.

Bereits am 8. September steht mit VALIE EXPORT eine Pionierin des feministischen Films auf dem Programm: EXPORTs erster, damals heftig umstrittener Spielfilm "Unsichtbare Gegner" (A 1976) machte die Medien- und Performancekünstlerin auch als Filmemacherin international bekannt und gilt als Schlüsselwerk des feministischen Films.

"Die Ahnfrau"

Louise Kolm kam 1873 in Wien als Tochter des Stadtpanoptikum-Betreibers Louis Veltée zur Welt und somit früh mit dem Medium Film in Kontakt. Vor 100 Jahren führte sie nachweislich erstmals Regie ("Die Glückssuppe", 1911), manche Quellen datieren ihre frühesten Regiearbeiten auf 1908. Insgesamt realisierte sie ca. 50 Filme als Regisseurin bzw. Co-Regisseurin, schrieb 18 Drehbücher und produzierte mehr als 100 Filme. Dazu zählen zahlreiche Adaptionen von Bühnenstücken (Nestroys "Lumpazivagabundus", Schnitzlers "Liebelei", mehrere Werke von Ludwig Anzengruber) sowie sozialkritische Dramen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns, Anton Kolm, heiratete Louise ihren langjährigen Co-Regisseur Jakob Fleck.

Gemeinsam adaptierten die beiden  1919 das Theaterstück "Die Ahnfrau" von Grillparzer, das auf eine südböhmische Legende zurückgeht. Das Drama um Eifersucht, Mord, Liebe und Inzest kann als frühes Beispiel des Horrorgenres gelesen werden. "Wir machen einen schönen Film, denn wenn er mir gefällt und gut wird, dann gefällt er auch dem Publikum", lautete stets das Motto von Louise Kolm. Nach diesem Grundsatz ging das Regieduo auch an dieses Werk heran. Das Resultat ist ein düsteres Werk, das in seiner Ästhetik - ausdrucksstarke Licht- und Schatteneffekte sowie Neuerungen im Schnitt - den expressionistischen Film vorwegnahm. Die weibliche Hauptrolle übernahm Liane Haid, damals ein Star des (alt-) österreichischen Kinos.

Kolm ging 1940 mit Fleck ins Exil nach Shanghai und kehrte 1947 wieder nach Österreich zurück. Die Hoffnung auf ein Comeback im Film wurde jedoch bitter enttäuscht. Sie verstarb am 15. März 1950 in Wien.

"Unsichtbare Gegner"

Wien Mitte der 70er Jahre. Anna, Fotografin und Videoreporterin, hört eines Morgens in den Radionachrichten von einer bevorstehenden Invasion außerirdischer Wesen - Hyksos genannt -, die von den Menschen Besitz ergreifen, um sich die Herrschaft auf der Erde zu sichern. Anna (Susanne Widl) betrachtet ihre Umgebung zusehends mit Misstrauen und findet immer mehr Anzeichen dafür, dass die Hyksos bereits in ihrer Nähe sind: der sprichwörtliche "Wiener Grant" wird zur offenen Aggression, die Liebesbeziehung zu Peter (Peter Weibl) schlägt in Hass um, auch die Themen ihrer Fotografien werden zusehends negativer. Mit ihren subjektiven "Beobachtungen", die sie mit der Kamera festhält, wird sie allein gelassen. Schließlich wendet sie sich an einen Psychiater. Diagnose: Schizophrenie.

VALIE EXPORT bezeichnet ihr Spielfilmdebüt, das 1977 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin uraufgeführt wurde, als "psychischen" Science-Fiction-Film. Sie nimmt nicht nur Versatzstücke österreichischer Medien in den Spielfilm auf, sondern auch eigene frühere Arbeiten: Fotos, Videos, Installationsstücke. Die endgültige Komposition des Films, der auf einem Drehbuch von EXPORT und Weibl beruht, entstand in achtwöchiger Arbeit am Schneidetisch.

1977 sollte EXPORT dafür den Staatspreis für Film erhalten, doch der dafür zuständige Minister Fred Sinowatz verhinderte die Verleihung des Preises. (red)