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Die Blockfreien in Belgrad.
Ja, gibt es sie noch überhaupt, die Blockfreien? Wofür stehen die heute? So reagierten einige ältere Belgrader auf die 50. Jubiläumsfeier der Bewegung, die am Montag und Dienstag in Belgrad stattfand. Sie erinnerten sich genau an den 1. September 1961, als in der damals jugoslawischen Hauptstadt, in einer bipolaren Welt, die an der Schwelle einer Auseinandersetzung zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt stand, nur wenige Wochen nach dem Beginn des Baus der Berliner Mauer, die Richtlinien für einen "dritten Weg" gelegt wurden: Als die Bewegung der Blockfreien in der Zeit des Kalten Krieges gegründet wurde, war das ein Weltereignis, eine Stimme der Vernunft, die die Sowjetunion und die USA zur Mäßigung mahnte. Die Linken in der ganzen Welt horchten auf.
Fünfzig Jahre später erinnerte man sich in Belgrad wehmütig an diese Zeiten. Von 118 Mitgliedsstaaten kamen 106 Staatsdelegationen, auch Vertreter der EU und der aus dem ehemaligen Jugoslawien entstandenen Staaten. Serbien hat Beobachterstatus in der Bewegung, den derzeitigen Vorsitz hat Ägypten.
Man gedachte der Gründungsväter der Blockfreien - der Präsidenten Jugoslawiens und Ägyptens Josip Broz Tito und Gamal Abdel Nasser, des Ministerpräsidenten Indiens Jawaharlar Nehru, der Staatschefs Indonesiens und Ghanas Achmed Sukarno und Kwame Nkrumah. Konkrete politische Themen standen nicht auf der Tagesordnung, man wollte bei der Jubiläumsfeier keinen Streit, wie es ihn wegen der Unterschiedlichkeit der Blockfreien bei großen Konferenzen stets gab.
Trotzdem nutzte der ägyptische Außenminister Mohammed Kamal Amr die Gelegenheit, um sich für die Aufnahme von Palästina in die Uno einzusetzen. Wie es 1961 Tito, Nasser und Nehru taten, pflanzte er mit seinem serbischen Amtskollegen Vuk Jeremić einen "Baum des Friedens" . "Es ist eine große Ehre und ein Privileg für mich, heute an diesem Ort sein zu dürfen. Für mich ist das ein heiliger Ort, denn einige große Menschen, einige meiner Vorbilder standen hier" , sagte Amr.
Besuch am Grab Titos
Viele Delegationen besuchten das Grab Titos in Belgrad, auch das "Blumenhaus" genannt. Die Gedenkstätte ist ein Dorn im Auge Serbiens, das sogar erwog, sie abzureißen und kontinuierlich die positiven Seiten von Titos Herrschaft, seine Rolle im Kampf gegen den Faschismus bestreitet.
In Belgrad machte man sich selbst Mut: die Blockfreien vertreten über die Hälfte der Menschheit, besetzen zwei Drittel der Sitze in der UN-Generalversammlung, man müsse wieder eine "proaktive" Politik führen, konnte man hören. Zumal auch die Nato nach dem Fall der Berliner Mauer um den Sinn ihrer Existenz ringen musste, gilt das erst recht für die Blockfreien. Es fehlen charismatische Führer, Indien ist selbst eine Weltmacht geworden, in Libyen geht ein Bürgerkrieg zu Ende, und die Zukunft nach dem Arabischen Frühling in manchen Mitgliedstaaten ist völlig ungewiss. Die Welt hat sich verändert, aber die Blockfreienbewegung beruht noch immer auf den gleichen Prinzipien wie vor fünfzig Jahren. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 7.9.2011)