Muammar al-Gaddafi kann noch immer die Weltöffentlichkeit in Atem halten. Das haben die Nachrichten von der angeblichen Flucht des gestürzten libyschen Machthabers am Dienstag gezeigt. Auch diesmal gleichen die Meldungen über den exzentrischen Ex-Revolutionsführer abenteuerlichen Räuberpistolen, die Spekulationen aller Art ins Kraut schießen lassen. Offen aber blieb vorerst: Hat er sich nun quasi selbst in die Wüste geschickt oder nicht?
Dass - trotz internationalen Haftbefehls - an einer Exil-Lösung für Gaddafi gearbeitet wird, ist seit langem evident. Monatelang gaben sich französische und britische Diplomaten alle Mühe, ein Paket zu schnüren, in dem der Ex-Diktator seine verbliebene Macht gegen einen sicheren Ort außerhalb Libyens eintauschen kann. Paris befand es zuletzt gar nicht mehr für nötig, eine solche "Geld und Leben" -Variante zu dementieren. Von Simbabwe als möglichem Ziel war die Rede, von Venezuela, und auch Burkina Fasos Außenminister hat dem Libyer Asyl angeboten.
Obwohl Gaddafis Macht nach der Einnahme von Tripolis täglich schwindet, könnte die vom Übergangsrat bestätigte Meldung des nach Niger gerollten Geldkonvois Auftakt für seinen definitiven Abgang sein. Vieles deutet auf ein solches Szenario hin. Auch wenn die Nato weiterhin beinahe rührend versichert, sich im Konflikt nicht auf eine Seite schlagen zu wollen, wird der Konvoi ihrer Luftaufklärung kaum entgangen sein. Warum sollten die Allianz und der Übergangsrat denn eine Kolonne unbehelligt außer Landes fahren lassen, die so große Werte geladen hat?
Niger fällt als Zielland für den früheren Diktator eher aus. Präsident Mahamadou Issoufou, der erst im April als demokratisch legitimierter Politiker die Macht von einer Militärjunta übernommen hatte, hat den libyschen Übergangsrat anerkannt und will sich nicht in den Konflikt im nördlichen Nachbarland hineinziehen lassen.
Wahrscheinlicher ist es, das raunen zumindest französische Militärs, dass Gaddafi und seine bei ihm verbliebenen Söhne erst auf der Fahrt nach Burkina Faso zu dem Konvoi stoßen könnten. Denn dort war der selbsternannte "König von Afrika" mit seinen Ölmillionen schon früher hochwillkommen. Das dürfte sich - trotz Anerkennung des Übergangsrates und Ouagadougous Mitgliedschaft beim Internationalen Strafgerichtshof - bei Lkw-Fuhren von Euros, Dollars und Goldbarren nicht geändert haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.9.2011)