MIt dem sogenannten eCall wird beim Auslösen des Airbags eine Nachricht an den europäischen Notruf 112 gesendet.

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Wien/Brüssel - Ihre Pläne für ein neues, automatisches Notrufsystem bei Autounfällen will EU-Kommissarin Neelie Kroes am Donnerstag der Öffentlichkeit vorstellen. Neu sei dieses sogenannte "eCall" allerdings nicht, meint Willy Matzke, Chef der ÖAMTC-Verkehrsabteilung: "Was laut EU-Kommissarin 2015 für alle Neuwagen der EU verpflichtend kommen könnte, haben nämlich in Österreich bereits 40.000 Autos." Seit Jahren rüste der ÖAMTC Pkws von Mitgliedern mit diesem System nach. Der ARBÖ hält die Installierung dieses automatischen Notrufsystems auch für überfällig und bezeichnet sie als eine "Notwendigkeit".

"eCall" funktioniert mit einem Crashsensor und mit Satellitenortung. Bei einem Unfall werde der Crashsensor aktiviert, der - unabhängig davon, ob der Airbag ausgelöst wird oder nicht - ein Signal ausschickt.

Daten zum Unfallhergang

Zudem werden wichtige Informationen an die ÖAMTC-Notrufzentrale übermittelt: Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs vor dem Unfall und die Aufprallwucht geben Hinweise über die Schwere des Crashs. Mittels GPS-Erkennung am Bildschirm könne in der Zentrale die genaue Position des Fahrzeugs eruiert und weiter beobachtet werden, erklärt Matzke.

Als Erstes versuche man dann den Fahrer über eine vereinbarte Rufnummer zu erreichen. Melde dieser sich jedoch nicht, werde im nächsten Schritt die Rettungskette in Gang gesetzt. Die Nachrüstung mit dem Notrufsystem kostet einmalig 500 Euro für das Gerät. Für die Bereitstellung der ständigen Verbindung fallen derzeit pro Monat noch zwischen neun und 13 Euro an.

Autos können nachgerüstet werden

Dieser (noch) kostenpflichtige automatische Notruf ermögliche jedenfalls bei einem Unfall die rascheste Hilfe. Daher setzen sich die österreichischen Autofahrerklubs bereits seit Jahren für eine europaweite Einführung ein. Bisher sei man jedoch stets vertröstet worden. "Erst hieß es, ,eCall' käme 2010, dann 2012. Jetzt soll es 2015 werden. Aber besser spät, als gar nicht", kommentiert Matzke die Ankündigung von Kroes.

Laut ihren Vorstellungen soll es in den Autos künftig auch noch einen Alarmknopf geben, den der Fahrer selbst drücken kann. Das Notrufsystem "eCall" ist Teil der "eSafety"-Initiative der EU, um die Zahl der Unfalltoten zu halbieren.

"Extrem absurder Vorschlag"

Hans Zeger, Leiter der Arge Daten, hält die verpflichtende Ausrüstung der Autos mit einem derartigen System für "einen extrem absurden Vorschlag". "Auto fahren kann gefährlich sein, aber es ist jedem freigestellt, dies zu tun." Genauso sollte es auch jedem "mündigen Bürger" freigestellt sein, ob er bei seinen Fahrten ständig via Satellit verfolgt werden will.

"Wer glaubt, dieses Notrufsystem zu brauchen, der kann es sich installieren lassen, die Möglichkeit gäbe es ja bereits", meint der Datenschützer. Jedoch müsste er auch umfassend über "die damit verbundene Einschaumöglichkeit in seine Privatsphäre informiert werden", gibt er zu bedenken.

Auch Polizei ist kritisch

Für Martin Germ vom Innenministerium ist die Handynetzdichte ausschlaggebend für die Sinnhaftigkeit des eCall-Systems. In Ballungszentren sei das Signal grundsätzlich stark, das System werde daher eine "Verringerung der Verständigungszeit" bringen. Hier gäbe es jedoch ohnehin in den meisten Fällen Unfallzeugen, die die Einsatzkräfte verständigen würden.

Eine wirkliche Verbesserung sieht Germ für ländlichere Gegenden, wo Passanten nicht so schnell Unfälle melden können. Kritisch sieht das Innenministerium das Notrufsystem in jenen ein bis zwei Fällen pro Jahr, bei denen Unfallwagen tatsächlich gesucht werden müssen. Die befänden sich dann meist in "irgendwelchen Schluchten", wo es keinen Handyempfang gibt - eCall wäre hier folglich nutzlos.

Die Qualität des Rettungseinsatzes hänge für Germ zudem von der Form des Notrufs ab. Bei einer standardisierten Nachricht riskiere man Fehleinsätze, bei einer direkten Verbindung ins Unfallfahrzeug könne der Beamte am anderen Ende der Leitung eine individuelle Einschätzung treffen.

Hintergrund dieser Sicherheitsmaßnahme sind europaweit über 40.000 Verkehrstote pro Jahr, von denen bis zu 2.500 überleben könnten, wenn rechtzeitig Hilfe eintreffen würde.(Kerstin Scheller/red, derStandard.at, 7.9.2011)