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Marc Faber macht kein Hehl aus seiner Meinung: Notenbanken seien überflüssig, staatliche Eingriffe auf die Wirtschaft haben nur geschadet.

Foto: Reuters/Jessica Rinaldi

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Scharfe Kritik übt er an der Politik und ihren "Halb-Maßnahmen" in Zeiten der Krise.

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Der bekennende "Schwarzseher" und Pessimist Marc Faber sagte bereits den Börsencrash von 1987, die Asienkrise und das Platzen der Technologieblase 2000 voraus. Auch mit der Konjunkturkrise in den USA für das zweite Halbjahr 2007 lag er richtig. Geht es nach ihm, verheißen auch heute die Signale nichts Gutes für die Weltwirtschaft.

Im derStandard.at-Interview erklärt der Herausgeber des Gloom Boom & Doom-Reports, warum Griechenland in die Pleite geschickt gehört und ein paar Banken gleich dazu, der Finanzsektor einbrechen wird und was Goldman Sachs mit einem Bauern in Thailand zu tun hat.

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derStandard.at: Hat die Schuldenkrise einen neuen Freund bekommen, nämlich die Rezession?

Marc Faber: Eine Rezession ist schon ein alter Freund. Im Jahr 2008 hat man mit massiven Krediten hauptsächlich auf staatlicher Ebene und expansiver Geldpolitik versucht, die Wirtschaft zu beleben - alles Maßnahmen, die nur temporär wirken können. Langfristig haben sie so gut wie keinen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen.

derStandard.at: Sondern?

Faber: Am wirksamsten wäre es, die Wirtschaftsgesetze wesentlich zu vereinfachen, den Staatsapparat um gut 50 Prozent zu kürzen und die Steuern auf Investitionen zu reduzieren. Unsere Welt krankt zum einen an viel zu vielen Bestimmungen: Ein Unternehmen in Deutschland oder in den USA auf die Beine zu stellen, ist sehr viel komplizierter als in den meisten Gegenden der Welt. Zum anderen krankt die Welt an der Überverschuldung.

derStandard.at: Wie konnte diese "Krankheit" soweit fortschreiten?

Faber: Schuld sind die permanenten staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft und natürlich die Geldpolitik. Betrachtet man beispielsweise die langfristige Performance der amerikanischen Notenbank, erhält man eine katastrophale Bilanz. Sie hat Angstblasen und Anlageblasen geschaffen, nach dem Platzen der Blasen wurde Geld gedruckt, um die Zinsen künstlich tief zu halten. Wenn es nach mir geht, könnte man die Notenbanken abschaffen. Sollte sich jemand dennoch unbedingt einbilden, dass sie etwas Vernünftiges bewirken können, was ich wie gesagt sehr bezweifle, dann sollte eine Notenbank darauf schauen, dass die Kreditschöpfung unter Kontrolle gehalten wird.

derStandard.at: Was hätte das für Auswirkungen auf das Bankensystem?

Faber: Richtig angewendet, könnte man mit geldpolitischen Maßnahmen sehr wohl eine Gesundung des Bankensystems erreichen. Man müsste die Reserveverpflichtungen wesentlich erhöhen und nicht wie bislang durch die Missgriffe der Notenbanken Spekulationen begünstigen oder gar  verursachen. Im Grunde sollte man das ganze Bankenwesen in eine spekulative Aktivität und die normale Banktätigkeit, die eine treuhänderische Funktion hat, teilen. Eine Bank muss dafür verantwortlich sein, Einlagen zurückzuzahlen und nicht damit zu spekulieren. Anstatt Geld von Sparern an Unternehmer weiterzugeben, haben die Banken ihre Funktion verändert - und wurden zu Hedge Fonds, der Wurzel des Übels.

derStandard.at: Welche "Leichen" haben europäische Banken noch im Keller?

Faber: Irgendwer muss noch griechische, irische oder portugiesische Anleihen besitzen. Ich nehme an, dass ein großer Teil dieser Obligationen in den Händen von Banken und der Versicherungsindustrie sind. Das Problem dabei ist, dass diese noch nicht abgeschrieben sind. Am sinnvollsten wäre es, Griechenland pleitegehen zu lassen. Und in diesem Sog auch einige Banken.

derStandard.at: Mit welchen Auswirkungen auf den Finanzsektor?

Faber: Für den Finanzsektor sehe ich schwarz: Er muss um mindestens 30 Prozent schrumpfen.

derStandard.at: In welchem Zeitraum?

Faber: Das hängt von den Regierungen ab. Ich habe schon vor Jahren gesagt, es wäre am besten, wenn AIG (wurde 2008 im Zuge der Subprime-Krise in den USA notverstaatlicht, Anm.) und Gesellschaften wie Goldman Sachs pleitegegangen wären. Was hätte es der Weltwirtschaft geschadet? Der Bauer in Thailand hat nichts mit Goldman Sachs zu tun, ebenso wenig der Bauer in Deutschland.

derStandard.at: Der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan sieht den Euro schon zusammenbrechen. Sind Sie auch so pessimistisch?

Faber: Ich gehe davon aus, dass die Politiker den Euro retten wollen. Sie werden wohl Euro-Anleihen ausgeben und die schwachen Länder weiter stützen. Diese Maßnahmen führen aber früher oder später zu einem Einzelstaat - einem "Euro-Staat". Die Länder werden ihre Souveränität verlieren, in Ländern wie Griechenland oder Deutschland werden dieselben Gesetze herrschen, Steuerharmonisierungen werden stattfinden und vielleicht gibt es sogar eine bestimmende Steuerbehörde. Diese könnte international tätig werden und beispielsweise bei reichen Griechen in London Geld einziehen.

derStandard.at: Der Euro ist also zu retten?

Faber: Das nehme ich an, aber nachdem Politiker immer Halb-Maßnahmen treffen, wird das erst nach einer weiteren Krise stattfinden.

derStandard.at: Wie sehen Sie den Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Euro nicht unter 1,20 Franken sinken zu lassen?

Faber: Das ist ein Fehler. Seit der Hongkong-Dollar an den US-Dollar gebunden ist, wirft das nur Probleme auf. Es besteht keine Evidenz, dass die Schweizer Wirtschaft durch den starken Schweizer Franken gelitten hat. Ganz im Gegenteil. Die Exporttätigkeit der Schweiz ist auf einem Rekordniveau. Die Probleme liegen ganz woanders: Einerseits betragen die Kosten der Produktion bestimmter Produkte nur einen Bruchteil der Verkaufskosten, andererseits gibt es Industriezweige, die sich wie Kartelle benehmen. Ich würde vorschlagen, die Löhne zu senken, anstatt den Schweizer Franken schwach werden zu lassen - das hätte dieselbe Wirkung.

derStandard.at: Wie lange hält die jetzige Finanzkrise noch an?

Faber: Die Regierungen können natürlich so weitermachen und noch mehr Geld drucken, kranke Länder, kranke Gesellschaften und kaputte Finanzinstitute stützen - langfristig überwiegt aber der Schaden, der sich daraus für das Wirtschaftswachstum ergibt. Jemand muss diese Maßnahmen schließlich bezahlen. Man sieht bereits jetzt schon in den USA oder in Europa, dass der mittlere Haushalt, die typische Familie, seinen Lebensstandard in den letzten zwanzig Jahren nicht erhöht hat - die Reichen hingegen schon. Das sage ich nicht als Sozialist, sondern als kritischer Beobachter. Ich selbst habe immerhin auch von den steigenden Vermögenswerten, Aktien- und Rohstoffpreisen profitiert.

derStandard.at: Wie sieht es in den USA aus?

Faber: Barack Obama ist ein typischer Sozialist, der die Macht der reichen Leute pflegt, um sich Wahl-Gelder zu sichern. Den typischen Geschäftsmann schadet er: Regulierungen und Bestimmungen haben unter seiner Amtszeit deutlich zugenommen, ebenso Administrationen, die mit unerfahrenen Menschen besetzt sind. Hier finden sich Politiker wie er, die noch keinen Tag ihres Lebens richtig gearbeitet haben. Hinzu kommt die Überverschuldung des Landes - ich sehe also keinen guten Ausgang für die US-amerikanische Wirtschaft. Aus demographischer Sicht ist kein Wachstum zu erkennen.

derStandard.at: Das sieht auch Standard & Poor's so und stufte das Land jüngst herab. Haben Ratingagenturen zu viel Macht?

Faber: Nein, aber die Anleger, die die Ratings ohne kritische Analyse annehmen, haben ein Problem: Ratingagenturen schauen zurück und nicht in die Zukunft. Sie sind politisch engagiert und werden von den Gesellschaften bezahlt, denen sie das Rating geben. Grundsätzlich halte ich nichts von Rating Agenturen.

derStandard.at: In Zeiten wie diesen, was raten Sie Privatanlegern in der jetzigen Börsensituation?

Faber: Ich kenne den Privatanleger und seine Vermögenslage nicht. Eine allgemeine Antwort ist also schwierig. Grundsätzlich wäre aber eine gewisse Diversifikation einzuhalten: 25 Prozent Aktien, 20 bis 25 Prozent Gold, 25 Prozent Immobilien in Asien und 25 Prozent in kurzfristigen Obligationen und Bargeld. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 7.9.2011)