Wien - Am Mittwoch, um 11.58 Uhr, haben Fußballpräsident Leo Windtner und sein Untertan Dietmar Constantini das Podium bestiegen. Es stand und steht immer noch im Klimt-Saal des Hotels Hilton am Wiener Stadtpark. Der Raum war viel zu klein bemessen. Nicht für die beiden Herren, die hatten Platz und Sessel, sie schauten trotzdem nicht fröhlich drein. Die Fotografen, Kameraleute und Journalisten, es waren fast einhundert, die rangen nach Luft. Windtner verkündete das Ende einer Ära. Das baldige. Nicht seiner. Wobei er zunächst einmal über das Unwesentliche gesprochen hat. "Die fünf Heimspiele in der EM-Qualifikation wurden von 189.000 Leuten besucht. Danke, die Fangemeinde in Österreich ist lebendig."
Und dann kam er zum Punkt: "Der mit Jahresende auslaufende Vertrag von Teamchef Constantini wird nicht verlängert. Es wurde beschlossen, dass er in den beiden ausständigen Partien in der EM-Qualifikation am 7. Oktober in Aserbaidschan und vier Tage später im Kasachstan im Amt bleibt. Das bedeutet keinen Autoritätsverlust, weil ich der Meinung bin, dass Constantini - mit Ausnahme einiger Einzelfälle - die Mannschaft noch erreicht. Es gibt keinen Bruch. Es bringt nichts, mit einem Schnellschuss alles zu entfernen."
Eine Interimslösung, etwa mit Sportdirektor Willi Ruttensteiner und Andreas Herzog, hätte keinen Sinn gemacht: "Das wäre eine Loch-auf-Loch-zu-Sache gewesen." Über die Skurrilität dieser Entscheidung wollte der Präsident nicht ausführlich diskutieren. Und weshalb die Pressekonferenz um eineinhalb Stunden verschoben werden musste, bleibt eines der ungelösten Rätsel im österreichischen Fußball.
Der Tag hatte mit einem halbstündigen Frühstück begonnen. Windtner wachte quasi mit Constantini auf. Danach informierte er sein Direktorium, es besteht aus den Landesverbandspräsidenten Sepp Geisler (Tirol), Willi Prechtl (Oberösterreich), Johann Gartner (Niederösterreich) sowie Bundesligachef Hans Rinner und Austria-Vorstand Markus Kraetschmer. Die Herrschaften stimmten dieser Nichtlösung zu. Dass Constantinis Vertrag nicht verlängert wird, war seit dem 11. August klar. Windtner: "Es konnte keine Mehrheit gefunden werden." Er selbst gehörte nicht der Minderheit an. "Das wäre ein Zeichen von Führungsschwäche." Soll heißen: Windtner wollte Constantini loswerden.
Mickrige Pünktchen
Der Teamchef mit Ablaufdatum reagierte gelassen. Wer in der Quali deutlich scheitere, aus acht Partien nur acht Zähler sammle, "ist eben weg". Er konnte sich die Analyse des 0:0 gegen die Türkei sparen, es ist für die Nachwelt brennend uninteressant, warum er Stefan Maierhofer in der 93. Minute eingewechselt hat. Gegen die Konkurrenten Deutschland, Türkei und Belgien wurden von 18 möglichen Punkten zwei mickrige Pünktchen geholt.
Constantini: "Fakt ist, dass wir zu viele Niederlagen kassiert haben. Deshalb wird der Wechsel vollzogen." Trotzdem habe er die Zeit genossen. Sie begann im März 2009, bescherte bisher sieben Siege, drei Unentschieden und 13 Niederlagen. "Die Mannschaft ist spielerisch gut, sie schießt halt keine Tore." Natürlich habe auch er Fehler gemacht. "Nachher ist man immer gescheiter." Tipps für den Nachfolger habe er nicht. "Das steht mir nicht zu. Als Teamchef muss man ein begeisterungsfähiger Masochist sein."
Windtner möchte nun ein Anforderungsprofil erstellen. Dass es keines gibt, ist zumindest nicht unkomisch. Ruttensteiner wird es sicher nicht, Herzog hat Außenseiterchancen. Es gibt einen Zeitplan. Am 15. November im Testspiel in der Ukraine soll der Neue auf der Bank sitzen. Sollte eine Entscheidung früher fallen, könnte Constantini von der letzten Reise befreit werden. Paul Scharner bot sich übrigens als Spielertrainer an. "Das ist mir todernst. So nah wie der aktuelle Trainer bin ich auch an der Mannschaft."
Windtner kann sich sowohl einen Inländer (nicht Scharner) als auch einen Ausländer vorstellen. "Deutsch muss er können. Viel mehr als Karel Brückner." Der ÖFB werde keine Millionen für einen prominenten Namen "verballern. Wir werden auf Qualität schauen und nicht am falschen Platz sparen." Franco Foda soll gute Chancen haben.
Der 56-jährige Constantini beruhigte: "Um mich muss man sich keine Sorgen machen." (Christian Hackl; DER STANDARD Printausgabe; 8. September 2011)