Bild nicht mehr verfügbar.
Barack Obama bei seiner kämpferischen Rede am Labour Day in Detroit. Mit diesem Stichtag hat er endgültig vom Kompromiss- auf den Wahlkampfmodus umgestellt.
Begleitet von äußerst schlechten Umfragewerten, will der US-Präsident im Kongress ein Konjunkturpaket präsentieren, das seine Chance auf die Wiederwahl in einem Jahr erheblich steigern soll.
***
Barack Obama hat seinen Kampfgeist wiederentdeckt. Neulich in Detroit, der gebeutelten Stadt der Autobauer, wollte er es allen beweisen, vor allem linken Parteifreunden, die ihn als zu distanziert, zu akademisch kritisieren. Die Republikaner redeten immer so großspurig davon, dass sie die Steuersenkungspartei seien, polterte der Präsident. "Na dann zeigt mal, dass ihr für Mittelklassefamilien genauso hart kämpft wie für Ölkonzerne und die wohlhabendsten Amerikaner. Legt die Karten endlich auf den Tisch."
Der Rhetorik nach hat es fast den Anschein, als stünde das entscheidende Wahlduell unmittelbar bevor, obwohl bis zum nächsten Präsidentschaftsvotum noch 14 Monate vergehen. Obama ist in Kampagnenlaune. Er will deutlich machen, was ihn trennt von den Konservativen, statt immer nur pragmatisch Spielräume für Kompromisse auszuloten. Heute, Donnerstag, will er erläutern, wie er zum Aufstieg aus dem Krisental beitragen möchte. Er tut es vor beiden Häusern des Kongresses, vor derselben feierlichen Kulisse, vor der er einmal im Jahr die Lage der Nation skizziert. Konfrontiert mit den schlechtesten Umfragewerten seiner Amtszeit, mit einer Welle des Pessimismus im Land der Optimisten, versucht Obama den Befreiungsschlag.
Nach einer Erhebung der Washington Post sind nur noch 43 Prozent der Amerikaner einverstanden mit der Art, wie er regiert, während fast zwei Drittel an seiner Wirtschaftskompetenz zweifeln. Schuld ist die Arbeitslosigkeit. Seit Monaten hat sie sich bei ungefähr neun Prozent eingepegelt, nach historischen Vergleichswerten viel zu hoch für einen Präsidenten, der wiedergewählt werden möchte. George W. Bush ist vergessen, verdrängt die Tatsache, dass Obama von ihm eine Volkswirtschaft im freien Fall übernahm und auslöffeln durfte, was ihm Bush'sche Hybris und die Finanzkrise eingebrockt hatten.
"Er hat eine Million Jobs verloren. Ich habe eine Million Jobs geschaffen", tönt Rick Perry, der Gouverneur von Texas, der das konservative Kandidatenfeld anführt und sich rühmt, in seinem Beritt ein kleines Wirtschaftswunder vollbracht zu haben (tatsächlich wohl eher eine Folge hoher Ölpreise und des damit verbundenen Förderbooms). Mitt Romney, Perrys härtester Rivale, singt das alte Lied vom Grünschnabel Obama, der nie etwas gemanagt habe, weder ein Unternehmen noch einen Bundesstaat. Romney, erfolgreicher Investmentbanker und zwischendurch Gouverneur von Massachusetts, hat seinerseits ein 160-Seiten-Papier zum Ankurbeln der Wirtschaft vorgelegt. Unter anderem will er die Unternehmenssteuer von 35 auf 25 Prozent senken und mit härteren Bandagen gegen China kämpfen.
Obamas Gegenentwurf? Folgt man vorab gestreuten Stichworten, wird er eine zum Jahresende auslaufende zweiprozentige Senkung der Lohnsteuer verlängern und ein Infrastrukturpaket ankündigen. Namhafte Ökonomen warnen in alarmierenden Worten davor, dass der Staat einen Rückfall in die Rezession riskiert, wenn er Investitionen zusammenstreicht, statt sie auszubauen: Die Schuldenkrise dürfe nicht zum Kaputtsparen führen. Doch große Sprünge sind schon aus politischen Gründen nicht drin. Der Kongress, der Milliardenausgaben absegnen muss, wird von den Republikanern beherrscht. In deren Reihen lehnt es die Tea Party kategorisch ab, auch nur einen Cent auszugeben für neue Konjunkturprogramme, die sie von vornherein für Geldverschwendung hält. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2011)