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Die Helme passen, die Arbeits- bedingungen im Handel aus Sicht der Gewerkschaft nicht. Vor der nahenden Lohnrunde bringen sich die Sozialpartner in Stellung. Es geht um mehr als 450.000 Beschäftigte, überwiegend Frauen.

Foto: APA/Barbara Gindl

Nicht nur Kassiererinnen, auch Migranten und das mittlere Management werden systematisch unterbezahlt, klagt die Gewerkschaft. Handelsexperten sprechen von aufgebauschten Einzelfällen. Die Fronten verhärten sich.

Wien – An Arbeitsbedingungen für Angestellte in Österreichs Handel entzünden sich laufend neue Konflikte. Die Gewerkschaft sieht die gesamte Gehaltsstruktur wackeln. Ihr Vorwurf: Verkäuferinnen würden systematisch quer durch alle Branchen falsch eingestuft.

Bewegung in die Sache hatte ein Urteil des Obersten Gerichtshofes gebracht, das der Klage einer Kassiererin Recht gab, die sich in einer schlechter bezahlten Verwendungsgruppe zugeordnet fand. Ihr Schicksal teilen bis zu 25.000 Kollegen, schätzen Gewerkschafter.

Das Problem beschränke sich jedoch keineswegs nur auf die Kassiererinnen, sagt Karl Proyer. Der Arbeitnehmervertreter ist sich sicher, dass auch gut ein Drittel der Filialleiter und mittleren Manager um etliches Geld umfallen. "Baumax etwa stuft seine Führungkräfte und seine Abteilungsleiter unisono falsch ein." Betriebsräte sind in der österreichischen Baumarktkette Mangelware. "Das Unternehmen verweigert jedes Gespräch."

"Wir mauern nicht, die Gewerkschaft hat uns nicht kontaktiert", richtet Baumax-Chef Martin Essl über eine Sprecherin aus. Ab September seien alle Kassiererinnen höher eingestuft worden. Die Kritik an den Gehältern der Marktleiter sei neu und nicht verständlich. "Wir entlohnen sie deutlich über dem Kollektivvertrag."

Für Proyer tun sich weitere Baustellen bei Mitarbeitern mit Migrationshintergrund auf. Es sei in der Branche die Praxis, dass viele eingestellt würden, um Kunden in ihrer Muttersprache zu beraten. Der Kollektivvertrag sehe für den Einsatz mehrerer Sprachen eine höhere Gehaltsstufe vor – was die Arbeitgeber aber überwiegend ignorierten. Proyer bezeichnet Elektroketten wie Mediamarkt/Saturn als schwarze Schafe. Die Beratertätigkeit sei hier hoch. Gerade in Wien und Grenzregionen sei für sie die Kenntnisse von Ungarisch, Slowenisch oder Türkisch wichtig.

Bei Fritz Aichinger löst der Vorwurf nur Kopfschütteln aus. Mehr Geld gebe es, wenn die Mehrsprachigkeit eine explizite Bedingung für die Einstellung sei und auch regelmäßig angewendet werde – was aber nur selten der Fall sei.

Für Gewerkschafter liegt es auf der Hand, warum sich der Handel so gegen höhere Einstufungen der Kassiererinnen und Co wehre. Die Gefahr für ihn seien nicht die hierbei verhältnismäßig geringen Aufzahlungen, sondern die damit verbundenen internen Verschiebungen. Die gesamte gängige Gehaltspraxis werde infrage gestellt, und das könne letztlich teuer kommen. Leisten könnten es sich die größten 25 Handelskonzerne mit ihren 150.000 Beschäftigten, glaubt Proyer, zumal diese "teils höhere Gewinne als die Industrie" erzielten.

Was Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch zurückweist. Der Handel möge die Krise lang gut abgefedert haben, spätestens seit heuer seien die Ergebnisse jedoch "dramatisch schlecht".

"Salz in die Suppe"

Mayer-Heinisch sieht in der Anprangerung der Gewerkschaft einzelner Konzerne bewusste Strategie. Keiner kenne das Ausmaß der Betroffenen, lieber bausche man Einzelfälle auf und pauschaliere. Aichinger: "Es mag mit der einen oder anderen Firma Probleme geben. Deswegen Salz in die Suppe zu streuen und die ganze Branche anzupatzen, ist kontraproduktiv."

Möbelkette Kika hat die höhere Einstufung der Kassierer zugesichert. Eine Einigung zeichnet sich mit Lutz ab, Rewe und Spar sind schon länger im Boot, sagt Proyer. Alles in allem gelte der Handel seinen Leuten aber nach wie vor Arbeitszeit von jährlich 1,5 Milliarden Euro nicht ab. "Das ist in Europa überdurchschnittlich hoch." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.9.2011)