Geöffnete Venus Fliegenfalle (A): Deutlich erkennbar sind die sensorischen Haare, deren Natur in der Ausschnittvergrößerung (B) mittels Raster-Elektronen-Mikroskopie deutlich wird.

Fotos: Christian Wiese/Benjamin Hedrich

Würzburg - Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist zwar sehr bekannt und als exotische Zierpflanze weltweit beliebt, tatsächlich aber auf ein überraschend kleines natürliches Verbreitungsgebiet im Osten der USA beschränkt. Dort gedeiht sie auf nährstoffarmen Moorböden - die Insekten, die sie mit ihren Blättern fängt und verdaut, liefern ihr eine wertvolle Zusatzernährung. Wenn eine Fliege oder Ameise auf den zweigeteilten Blättern der Pflanze herumläuft, registriert die Pflanze diese Berührung, klappt in Sekundenbruchteilen ihre Blätter zusammen und hält so die Beute fest. Wie in einem kleinen "grünen Magen" sorgen dann Drüsensekrete dafür, dass das Insekt verdaut wird. Die Nährstoffe, die vor allem aus den Proteinen der Beute freigesetzt werden, nimmt die Pflanze auf, um damit ihr Arsenal an Klappfallen zu vergrößern.

"Schon seit den Zeiten von Charles Darwin versuchen Biologen herauszufinden, wie Sensorik und Biomechanik bei der Venusfliegenfalle funktionieren", sagt Rainer Hedrich. Dem Biophysiker und seinem Team von der Universität Würzburg sind jetzt neue Einblicke gelungen. In der US-Zeitschrift "Proceedings National Academy of Sciences" (PNAS) beschreiben sie, wie die Venusfliegenfalle elektrische, chemische und mechanische Signale miteinander koppelt, um Insekten zu fangen und zu verdauen.

Der Fangmechanismus

Berühren potenzielle Beutetiere in den Fangblättern ein Sensor-Haar, werden dessen Zellen an einer Soll-Knickstelle gequetscht. Es entsteht ein elektrisches Signal, das sich über die Fallenoberfläche ausbreitet. Folgt kurz darauf ein zweites Signal, klappt die Falle zu. Steckt ein Insekt in der Falle fest, versucht es verzweifelt, sich zu befreien. Doch diese mechanischen Reize stimulieren die Falle immer mehr: Sie produziert das Berührungshormon OPDA, das wiederum die Drüsen in der Falle zur Abgabe von Verdauungssekret anregt. Auf jedem Quadratmillimeter sitzen 60 Drüsen, das macht 37.000 pro Falle. Ein Experiment zeigte den chemischen Signalweg: Verabreicht man den Fallen eine OPDA-ähnliche Verbindung, so schließen sie sich und bilden einen Magen, in dem die Drüsen aktiv werden - ganz ohne Berührungsreize durch Beutetiere.

Eine weitere Erkenntnis der Forscher: Wird eine Falle vom OPDA-Hormon stimuliert, dann leitet sie dieses chemische Signal an die anderen Fallen weiter. Die werden damit in erhöhte Fangbereitschaft versetzt. Das ist sinnvoll, denn Insekten kommen selten alleine: Wo eine Ameise auftaucht, ist bald mit weiteren zu rechnen. Stimulierte Fallen antworten zudem mit einer Serie von Aktionspotenzialen, also mit einer vorübergehenden Änderung der elektrischen Leitfähigkeit ihrer Zellmembranen. "Von Aktionspotenzial zu Aktionspotenzial schließt sich die Falle immer dichter ab. Durch den Überlebenskampf verschlechtern die Opfer ihre Lage zunehmend", so Hedrich.

Kostenabwägung

Die Abgabe von Verdauungssaft bedeutet für die Venus-Fliegenfalle aber auch einen Wasserverlust, und das könnte bei Trockenheit zum Problem werden. In diesem Fall macht das Hormon Abscissinsäure die Pflanze unempfindlicher gegen Berührungen und unterdrückt die Ausscheidung von wässrigem Sekret, wie die Wissenschafter festgestellt haben. Bei Wassermangel verzichtet die Fliegenfalle auf Nahrung - sie hungert, um nicht zu verdursten.

Hedrichs Schlussfolgerungen: "Das Schließen der Fallen und die Sekretion der Verdauungsflüssigkeit scheinen über verschiedene Signalwege gesteuert zu werden. Die dafür verantwortlichen Gene gilt es dingfest zu machen. Darum arbeiten wir jetzt daran, das Erbgut der Venus-Fliegenfalle zu entschlüsseln." Außerdem gelte es herauszufinden, wie die fleischfressende Pflanze einen beutegerechten Verdauungssaft zusammenstellt. (red)