Der Ruf nach einer stärkeren Einbindung der nationalen Parlamente in künftige EU-Rettungsmaßnahmen ist natürlich verlockend. Wer will schon gegen "mehr Demokratie" sein? Vor allem, wenn nun die deutschen Abgeordneten mehr Rechte bekommen. Trotzdem sind derartige Forderungen brandgefährlich. Eine der größten Schwächen der EU ist bereits jetzt die mangelnde Handlungsfähigkeit. Die wochen- und monatelangen Diskussionen der Staats- und Regierungschefs im Vorfeld wichtiger Rettungsentscheidungen haben wesentlich zur Verunsicherung an den Finanzmärkten beigetragen. Kein Mensch weiß, was Europa will.
Wenn jetzt noch eine zusätzliche Entscheidungsebene - jene der nationalen Parlamente - eingeführt würde, könnte die Union endgültig abdanken. Sehr häufig kann es passieren, dass die Mehrheit einer Regierung im Parlament nur durch ein, zwei Stimmen gesichert ist. Ein paar Provinzpolitiker eines Eurostaates, die vielleicht gerade aus Profilierungssucht gegen alles und jeden sind, könnten somit ganz Europa lähmen. Mit der Folge, dass sich die Sinnfrage für die Union stellt. Und statt mehr Demokratie hätte man dann genau das Gegenteil erreicht.
Was aber sehr wohl nötig ist: Die EU muss sich grundsätzlich neue Spielregeln geben. Im Klartext: eine neue Verfassung. Das ist aber ein Projekt für mehrere Jahre und damit für die Post-Schuldenkrisenzeit. Für den Moment bleibt nur: Augen zu und durch. (DER STANDARD; Printausgabe, 8.9.2011)
Kontra mehr Mitspracherechte
Brandgefährliche Forderung
Eine der größten Schwächen der EU ist bereits jetzt die mangelnde Handlungsfähigkeit