Brüssel/Wien - Die Staatsanwaltschaft will im Zuge von Ermittlungen gegen den Europaabgeordneten Hans-Peter Martin Hausdurchsuchungen und Kontoöffnungen durchführen. Dies geht aus der Empfehlung des Rechtsausschusses zur Aufhebung der Immunität von Martin hervor, über den das EU-Parlament am Dienstag in Straßburg abstimmen soll. Die Aufhebung der Immunität gilt als sicher. Im Juli hatte sich der Rechtsausschuss einstimmig dafür ausgesprochen, auch Martin, der die Betrugsvorwürfe als "haltlos" zurückwies, kündigte an, dafür stimmen zu wollen.
Ins Rollen gebracht hatte die Causa der mittlerweile von Martin in Unfrieden geschiedene frühere Kollege Martin Ehrenhauser. Der ehemalige Büroleiter Martins hatte seinen Ex-Chef bei der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf "schweren Betrug", "Untreue" und "Förderungsmissbrauch" angezeigt. Ehrenhauser wirft Martin vor, aus der Wahlkampfkostenrückerstattung "eine Million Euro Steuergeld abgezweigt" zu haben. Martin bestreitet diese Vorwürfe. Er warf im Gegenzug Ehrenhauser vor, Daten aus seinem Computer entwendet zu haben.
"Aufgeblasene Rechnungen" an Freunde und Geschäftspartner
Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Antrag auf Aufhebung der Immunität in einem der APA in Kopie vorliegenden Schreiben an EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek mit einem "starken Verdacht", dass Martin staatliche Mittel nicht zweckmäßig verwendet habe, um private Ausgaben abzudecken und "aufgeblasene Rechnungen" an Freunde und Geschäftspartner auszustellen. Konkret erwähnt sind Architekten-Honorare in Höhe von 29.750 Euro "in Hinblick auf ein ausschließlich privates Projekt". Darüber hinaus erwähnt ist die Vermietung seiner 127 Quadratmeter Eigentumswohnung an die "Liste Martin" im Jahr 2009 für 120.872,64 Euro und Verbuchung der Kosten als Büroausgaben.
Im Visier der Staatsanwaltschaft ist weiters die Zahlung einer Rechnung in Höhe von 51.182,86 Euro, die von Martins Ehefrau Heike Kummer an die Firma "Global Information GmbH" eingereicht worden sei, deren einziger Partner und Direktor der Beschuldigte sei. Nach Angaben des Beschwerdeführers seien die in Rechnung gestellten Dienste nie erfolgt. Weiters beanstandet werden von der Staatsanwaltschaft Zahlungen von "unwahrscheinlich hohen Ausgaben" in Höhe von gesamt 832.800 Euro in Hinblick auf "Public Relations-Arbeit" über die Firma "Support and Solutions" an Geschäftsleute, die Freunde von Martin seien, "obwohl keine entsprechenden Dienstleistungen bereitgestellt wurden". Außerdem geht es laut dem Schreiben um "unwahrscheinlich hohe Summen", die an einen mit Martin befreundeten Fotografen (120.240 Euro) und an einen parlamentarischen Assistenten (108.000 Euro) für Public Relations bezahlt worden seien, für die der Parlamentsangestellte bereits bezahlt worden sei. Erwähnt sind in dem Brief auch die Rechnungen für Martins Anwalt für Dienste, die bis Ende 2009 nicht erbracht worden seien.
Durchsuchung von Orten und Gegenständen
"Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beabsichtigt die Staatsanwaltschaft Wien die Anordnung der Durchsuchung von Orten und Gegenständen, insbesondere der durch die Mitarbeiter der 'Liste Martin' genutzen Räumlichkeiten, des weiteren die Anordnung von Auskünften über Bankkonten und Bankgeschäfte sowohl in Österreich als auch in Deutschland", heißt es in dem Bericht des Rechtsausschusses. Die Staatsanwaltschaft Wien beabsichtige, gegen Martin ein Strafverfahren wegen des Verdachts der widmungswidrigen Verwendung von Parteienförderungsmitteln für privat veranlasste Ausgaben und Zahlung überhöhter Rechnungsbeträge an befreundete beziehungsweise ihm wirtschaftlich nahestehende Personen einzuleiten. Die Anschuldigungen erstreckten sich auf die Europawahlkampagne zwischen 2008 und 2009. Darüber hinaus werde Martin vorgeworfen, er habe Wirtschaftsprüfer durch "Scheinbelege" getäuscht.
Martin beharrte während der Anhörung vor dem Rechtsausschuss laut dem Bericht darauf, seine Unterlagen seien illegal aus den Räumlichkeiten des Europaparlaments entwendet und Emails mitgelesen worden, worüber er sich bei Buzek beschwert habe.
Die Staatsanwaltschaft Wien wollte auf Anfrage der APA am Donnerstag keinen Kommentar zu der Causa abgeben und verwies darauf, dass die Immunität Martins noch nicht aufgehoben sei. (APA)