Bild nicht mehr verfügbar.
Der zukünftigte EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde.
Marseille - Die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G-7) haben am Freitag in in Marseille mit Beratungen über Maßnahmen gegen die sich weltweit abschwächende Konjunktur begonnen. Zuvor gab der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, überraschend seinen Rücktritt bekannt.
Der 63-Jährige werde aus "persönlichen Gründen" sein Amt vor Ablauf der Amtsperiode am 31. Mai 2014 niederlegen, teilte die EZB in Frankfurt auf ihrer Internetseite mit. Bis zur Ernennung eines Nachfolgers voraussichtlich zum Jahresende werde Stark im Amt bleiben. Der ehemalige Bundesbank-Vizepräsident sitzt seit Juni 2006 im EZB-Direktorium.
Die sieben führenden Industriestaaten (G-7) steuern in der Schuldenkrise und im Kampf gegen die schwächelnde Konjunktur auf einen neuen Konflikt zu. Vor einem Treffen der G-7-Finanzminister und Notenbankchefs am Freitag in Marseille wies Deutschlands Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) Forderungen nach Konjunkturspritzen gegen den Abschwung erneut zurück. Schäuble warnte im deutschen Bundestag zugleich vor einem Rückfall in die Schuldenpolitik.
Er reagierte damit auch auf Forderungen der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Beide hatten die Europäer zu entschiedeneren Schritten sowie zur Stützung der Banken aufgefordert. Mit Blick auf das Milliarden-Jobprogramm von US-Präsident Barack Obama sagte Schäuble in Berlin lediglich: "Sie haben alle die Rede des amerikanischen Präsidenten heute Nacht zur Kenntnis genommen."
IWF-Chefin Christine Lagarde lobte dagegen vor dem G-7-Treffen ausdrücklich das von Obama geplante Programm. "Wir begrüßen die Vorschläge", sagte sie in London. Lagarde forderte die anderen Industriestaaten zu mutigem Handeln im Kampf gegen die stockende Weltwirtschaft auf.
Schäuble: Schuldenreduktion geht vor Konjunkturprogramme
Der Konjunkturabschwung, die Schuldenkrise sowie die weitere Bankenregulierung sind die zentralen Themen bei dem G-7-Treffen in der französischen Hafenstadt. Der G-7 gehören die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada an. Eine offizielle gemeinsame G-7-Erklärung wird nicht erwartet. Es wird davon ausgegangen, dass die G-7 ihre Bereitschaft zur Stärkung der Konjunktur erklären und um Vertrauen werben werden.
Schäuble räumte ein, dass sich die Lage für die Weltkonjunktur verschlechtert habe. "Wir sind an einem kritischen Punkt der Weltwirtschaft." Er warne aber vor Dramatisierungen. Vertrauen sei die wichtigste Ressource für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Um die Krise zu bekämpfen, müsse der Kurs maßvoller Defizitreduzierung fortgesetzt werden.
Schäuble erwartete zuletzt für Deutschland trotz der Rückschläge in diesem Jahr weiter ein Wirtschaftswachstum von knapp unter drei Prozent. Scharfe Kritik hatte der Minister an dem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ermittelten Rekapitalisierungsbedarf geübt. "Die Zahlen sind teils falsch und teils missverständlich."
Lagarde sagte vor dem G-7-Treffen: "Die Schlüsselnachricht, die ich heute transportieren will, ist, dass die Länder jetzt handeln müssen - und zwar mutig - um ihre Wirtschaft durch diese gefährliche neue Phase der Erholung zu bringen." Die politischen Entscheidungsträger müssten schnell auf wachsende Risiken durch schwaches Wachstum und steigende Arbeitslosigkeit reagieren, sagte Lagarde.
Beratungen über Großbanken
Nach dem IWF pochen auch die USA sowie die Wirtschaftsorganisation OECD auf Kapitalspritzen für die europäischen Banken. Eine Stützung des Bankensystems in Europa sei enorm wichtig, hieß es in Washington. Sie müssten Zugang zu Liquidität haben, Kapitallücken müssten geschlossen werden. Dies wäre der größte Beitrag, den die Europäer jetzt leisten könnten.
Die G-7 wollten zumindest über höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung für besonders große, international vernetzte Banken beraten - sogenannte systemrelevante internationale Finanzinstitute (Sifis). Voraussichtlich 28 Institute weltweit, darunter wohl auch die Deutsche Bank, sollen dem Vernehmen nach von der G-7 "systemrelevant" eingestuft werden.
Sie werden demnach als so groß und vernetzt angesehen, dass eine Schieflage oder Pleite die nächste weltweite Finanzkrise auslösen und die Steuerzahler erneut zu Milliardenhilfen zwingen könnten. Dies soll mit zusätzlichen Eigenkapitalregeln verhindert werden.
Am Samstag stößt auch der russische Finanzminister zu der Runde, die dann im G8-Format weitertagt. Thema ist die Unterstützung der Demokratiebewegungen in Nordafrika und im Nahen Osten. Die Staats- und Regierungschefs der G8 hatten bei ihrem Gipfel Ende Mai in Deauville bereits Milliardenhilfen in Aussicht gestellt.
Japan will über Währungsfragen sprechen
Japan, das die OECD wegen des Erdbebens im Frühjahr aus seinem Ausblick herausgenommen hatte, will bei dem Treffen in Marseille auch Währungsfragen ansprechen. Er wolle seinen Kollegen erklären, dass ein starker Yen schlecht für die Wirtschaft seines Landes sei, kündigte Finanzminister Jun Azumi an. Die Schweiz hatte angesichts des anhaltenden Höhenflugs des Franken bereits am Dienstag die Notbremse gezogen und einen Mindestwechselkurs von 1,20 Franken für einen Euro festgelegt. Angesichts der Krise in den Euro-Ländern hatten sich Anleger in die "sicheren" Währungen Yen und Franken geflüchtet. Doch die starke Landeswährung wirkt sich schlecht auf den Export aus. Experten hatten nach der Schweizer Entscheidung bereits vor einem "Währungskrieg" gewarnt. (APA)