Paris - Der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai hat die an den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad gerichteten Rücktrittsaufforderungen vehement zurückgewiesen. Ein Zusammenbruch des Baath-Regimes in Damaskus würde die christlichen Minderheiten im Nahen Osten einer großen Gefahr aussetzen, warnte das Oberhaupt der mit Rom unierten größten christlichen Kirche im Libanon anlässlich seines Besuchs bei der französischen Bischofskonferenz. Rai forderte vom Westen "mehr Chancen" für Assad, damit er "die politischen Reformen, die er begonnen hat, fortsetzen" könne. "Wir sind nicht auf der Seite des syrischen Regimes. Aber wir haben jeden Grund, eine Transition zu fürchten. Wir müssen die christliche Gemeinschaft verteidigen", sagte der Patriarch am Donnerstag im Wallfahrtsort Lourdes.
Auf die langjährige syrische Militärpräsenz im Libanon hinweisend, die erst 2005 endete, sagte Rai: "Wir haben das syrische Regime ertragen müssen. Ich vergesse das nicht, aber ich will objektiv sein." Bashar-al Assad habe eine Reihe von Reformen eingeleitet, er sei aufgeschlossen und von seiner europäischen Erziehung geprägt. "Aber er kann keine Wunder vollbringen, der Arme." Assad entscheide nicht alleine, "es ist die große Baath-Partei, die regiert". Nun gehe es darum, dem "inneren Dialog" eine Chance zu geben, um einen Bürgerkrieg abzuwenden.
Der 71-jährige Bechara Boutros Rai ist Nachfolger des aus Altersgründen zurückgetretenen Patriarchen Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir (90) an der Spitze der Maroniten, die unter den Christen im Libanon die politische Vorrangstellung einnehmen und den Staatspräsidenten stellen. Ebenso wie die anderen religiösen Minderheiten (Assad und seine Führungsclique sind alawitisch) stehen die syrischen Christen der gegenwärtigen Protestbewegung im Land mit großem Misstrauen gegenüber. Sie befürchten blutige Verfolgung wie im Irak nach der US-Militärintervention und dem Sturz des Baath-Machthabers Saddam Hussein. (APA/AFP)