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Der rauchfreie Oraltabak findet vor allem in Schweden seine Anhänger.

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Die mit Tabak gefüllten Säckchen werden zwischen Lippe und Zahnfleisch platziert und eine halbe Stunde später ausgespuckt.

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„Snus eignet sich auf jeden Fall als Mittel, um vom Rauchen loszukommen", behauptet Sozialmediziner Ernest Groman vom Wiener Nikotininstitut. Der rauchfreie Oraltabak, der traditionell vor allem in Schweden seine Anhänger findet, wird lose oder in Form kleiner Säckchen zwischen Oberlippe und Zahnfleisch platziert und eine halbe Stunde später vom Benutzer wieder ausgespuckt. Mit dem Verzicht auf den Glimmstängel, bleiben dem Konsumenten fast alle Rauchinhaltsstoffe erspart. Der Hauptwirkstoff Nikotin ist aber auch im Snus enthalten. Beim Lutschen gelangt das Alkaloid über die Mundschleimhaut in das Blut.

Der Unterschied liegt in der Anflutung. Während inhaliertes Nikotin binnen weniger Minuten über die Lungenbläschen in das Gefäßsystem gelangt, ist der maximale Nikotinspiegel beim Snusen erst nach einer halben Stunde erreicht. Das Ausmaß einer Abhängigkeit verändert diese Tatsache allerdings nur unwesentlich.

Abhängigkeit mit fraglichen Folgen

„Wir empfehlen grundsätzlich keine Mittel, die ohne das Ziel einer Abstinenz von Nikotin beworben werden", betont Manfred Neuberger, Leiter der Abteilung für Allgemeine Präventivmedizin vom Institut für Umwelthygiene am Wiener AKH und ergänzt: „Snus, elektrische Zigaretten und andere rauchlose Tabakformen wurden nicht als Entwöhnungshilfen entwickelt, sondern um dort, wo Rauchen verboten ist, weiter Nikotin konsumieren zu können". 

„Das wichtigste ist der Entzug von der Zigarette, denn die gesundheitlichen Folgen langjähriger Inhalation sind um 90 Prozent gefährlicher, als beim Gebrauch von Snus ", so Groman. Die beiden Wiener Experten sind sich zumindest in einem Punkt einig: Lutschen von Tabak ist gesünder als Inhalieren. Wie gesund, ist allerdings nicht restlos geklärt. 1985 wurde rauchfreier Tabak von der IARC (International Agency for Research on Cancer) bereits als Humankanzerogen eingestuft und in verschiedenen amerikanischen Studien wurde auf Zusammenhänge mit Mundhöhlen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hingewiesen.

Ungefährlichere Tabakprodukte

Im Gegensatz zu amerikanischen Untersuchungen gibt es aber in Schweden keine Studien, die von einem erhöhten Risiko für Karzinom im Mund-Rachen-Raum ausgehen. „Schweden hat die niedrigste Oralkarzinomrate EU-weit und der Zusammenhang mit dem Pankreaskarzinom ist nicht geklärt", hält auch Groman dagegen und ortet hier einen schweren Verstoß gegen die Rechte von Konsumenten. „Es wird grob fahrlässig agiert, denn die Bevölkerung tut sich schwer damit gesundheitliche Risiken einzuschätzen", ergänzt der Nikotinspezialist und fordert, die Information, dass es ungefährlichere Tabakprodukte als Zigaretten gibt, den Menschen nicht vorzuenthalten.

Derzeit ist Snus nur in Schweden legal erhältlich, in den anderen EU-Staaten ist der Verkauf dieser Produkte verboten. Der Grund: Snus wird als Arzneimittel eingestuft, besitzt gleichzeitig aber keine Zulassung als Arzneimittel. „Dass trotzdem dafür geworben wird zeigt nur, dass unsere Behörden schlafen", so Neuberger und bezeichnet den Handel mit Suchtmitteln derzeit als unkontrolliert.

Legalisieren oder generell verbieten

„Suchtprobleme lassen sich mit Verboten nicht lösen", so Groman und fordert die Freigabe von Snus in Europa. Neuberger, der auch Vizepräsident der Österreichischen Initiative Ärzte gegen Raucherschäden ist, begrüßt das Handelsverbot und fordert langfristig das gleiche für Zigaretten: „In Ländern wie Finnland und Australien existieren bereits Langzeitpläne den Verkauf von Zigaretten generell zu verbieten". Das sich dieses Projekt nicht von heute auf morgen umsetzen lässt, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass weltweit mehr als 1,1 Milliarden Menschen rauchen. „Das Nikotinproblem ließe sich allerdings innerhalb einer Generation beseitigen, wenn Tabak nur noch an Süchtige ausgehändigt wird und nicht laufend neue Süchtige produziert werden", formuliert Neuberger auch für diese Tatsache Lösungsansätze und will die Verführung von Kindern zur Nikotinsucht unter Strafe stellen. 

Einigung scheint derzeit keine in Sicht. Auf sämtliche Tabakprodukte zu verzichten ist aber in jedem Fall kein Fehler. Das beweist auch eine Studie, die zuletzt schwedische Forscher auf dem Europäischen Kardiologenkongress in Paris präsentierten. Die Untersuchung dokumentiert, dass Infarkt-Patienten, die mit dem Konsum von Snus aufhören, eine um 44 Prozent niedrigere Gesamtsterblichkeit besitzen, als Patienten die den Lutschtabak weiter verwenden. Ob jedoch Herzinfarktpatienten, die das Rauchen nicht lassen können, im Vergleich zu Snusern noch häufiger sterben, wurde nicht untersucht. (derStandard.at, 21.09.2011)