"Ich bin es leid, dass mir Politiker sagen, wir sollen die Effizienz steigern, solange die Politik nicht im Stande ist, eine Gesetzgebung zu formulieren, die Effizienz ermöglicht."

Foto: Standard/Hendrich

"In den Masterstudien wird es zu enormen Engpässen kommen. Studierende werden entweder überhaupt keine Plätze in Lehrveranstaltungen finden oder es wird in Startprüfungen zu extremen Auswahlprozessen kommen müssen", warnt Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien. Er spricht sich wegen des Zuwachses an Studierenden für Zugangsregelungen auch in den Masterstudien aus.

Den Vorschlag von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, jede Uni soll autonom Studiengebühren einheben, begrüßt Badelt. Warum die Studienberatung, die es ab dem kommenden Studienjahr geben soll, das Problem der Überlastung mancher Studiengänge nicht lösen wird und weshalb er nicht als Präsident der Universitätenkonferenz kandidieren will, sagt er im Interview mit derStandard.at.

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derStandard.at: Dem Wissenschaftsminister schweben bis zu 500 Euro Studiengebühren pro Semester vor. Was sagen Sie zu der Forderung Töchterles, nicht der Staat soll Studiengebühren einheben, sondern die Universitäten?

Badelt: Persönlich befürworte ich jede Ausweitung der Autonomie und daher auch den Vorschlag, den Unis Entscheidungsrechte bei allfälligen Studiengebühren einzuräumen. Allerdings muss gesichert sein, dass sich der Staat nicht in gleichem Ausmaß von seiner Finanzierungsverpflichtung der Unis zurückzieht. Mit anderen Worten, das Geld müsste zusätzlich zum Unibudget des Staats zur Verfügung stehen.

derStandard.at: Töchterle hat auch angekündigt, dass es die Online-Voranmeldung nächstes Jahr nicht mehr geben wird. Man erhoffte sich Planungssicherheit, bis Ende August konnte man sich zum Studieren online voranmelden. Studierende haben sich aber an mehreren Unis oder für mehrere Studienrichtungen angemeldet. Wie beurteilen Sie das Anmeldesystem?

Badelt: Die Voranmeldung ist eine Regelung, die in dieser Form keinen Sinn macht. Wenn man sich für mehrere Studien gleichzeitig anmelden kann, gehen die Leute auf Nummer sicher. Es stimmt zwar, dass wir jetzt Maximal-Zahlen haben, aber es gibt keine verlässlichen Hinweise, wie viele Studierende ab Oktober tatsächlich bei uns studieren werden. 

Man muss dazusagen, an der WU zeigt sich dieses Problem der Maximal-Zahlen sowohl auf der Bachelor- als auch auf der Masterebene. Die wirkliche Explosion ist auf der Masterebene entstanden.

derStandard.at: Für ein Masterstudium haben sich 2760 Personen angemeldet.

Badelt: Noch ist es eine Vermutung, eine plausible These, dass wir tatsächlich heuer eine massive Problematik bei den Masterprogrammen haben werden. Es ist heuer das dritte Jahr, dass Bachelor-Absolventen mit ihrem Studium fertig sein können. Und deswegen gibt es diese massiv steigenden Zahlen an Anmeldungen für das Masterstudium.

derStandard.at: Wie können Sie an Ihrer Uni jetzt noch reagieren?

Badelt: Im Grunde genommen wird das passieren, was wir den politisch Verantwortlichen seit Jahren gepredigt haben. Wir brauchen entweder deutlich mehr Kapazitäten oder Zugangsregeln - auch in den Masterstudien. Völlig zu Unrecht wird die öffentliche Debatte über Zugangsregeln heute ausschließlich über Bachelorprogramme geführt. Aber in dem Ausmaß, in dem sich das Bologna-System voll entfaltet, taucht das natürlich bei den Masterstudien mindestens genauso stark auf.

derStandard.at: Wenn man einen Bachelor-Titel hat, soll das noch nicht die Eintrittskarte für einen Masterstudienplatz sein?

Badelt: Sie haben jetzt das Wort "soll" verwendet, so würde ich das nicht formulieren. Aber rein kapazitätsmäßig ist es so. Wir haben auf Grund der Überlastung der Bachelorstudien in den letzten Jahren sehr viele Kapazitäten in den Bachelor gesteckt. Bachelor- und Masterstudien sind aber hinsichtlich der Kapazitäten verbundene Gefäße. Und jetzt kommen die Studierenden eben in das "Alter", wo sie Masterstudien verlangen. Dann gehen die Kapazitäten dort ab.

derStandard.at: Was bedeutet das fürs kommende Semester?

Badelt: In den Masterstudien wird es zu enormen Engpässen kommen. Studierende werden entweder überhaupt keine Plätze in Lehrveranstaltungen finden oder es wird in Startprüfungen zu extremen Auswahlprozessen kommen müssen.

derStandard.at: Wie könnten Zugangsregelungen für ein Masterstudium aussehen?

Badelt: Rein technisch gesehen wäre es in den Masterstudien einfacher als in den Bachelorstudien, Studienzugangsregelungen zu formulieren. Man könnte hier stark auf die Vorqualifikationen schauen, auch auf den bisherigen Studienerfolg. Das ist innerhalb des Unisystems leichter als an der Schnittstelle zwischen höherer Schule und Universität. Man könnte bei den Masterstudien auch Tests anwenden, die in der ganzen Welt verwendet werden, vor allem für eher formalwissenschaftliche Masterstudien. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, im Grunde genommen ist das aber eine Frage, die deshalb theoretisch ist, weil wir für die deutschsprachigen Masterprogramme ohnehin keine Zugangsregelungen machen dürfen.

derStandard.at: Die Zahl der deutschen Voranmeldungen ist an Ihrer Uni offenbar auch hoch. War das absehbar?

Badelt: Bei den Bachelor-Studien ist der Anteil der Deutschen zwar gestiegen, aber nicht so dramatisch wie in den Masterstudien. In den Masterstudien haben wir bei den Voranmeldungen 34 Prozent Deutsche.

derStandard.at: Wie kommt das zustande?

Badelt: Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die WU einen ausgezeichneten Ruf über die Landesgrenzen hinaus hat und daher viele deutsche Studierende unsere Universität in Erwägung ziehen. Und natürlich ist die vorzeitige Anmeldung auch eine Folge der medialen Berichterstattung, dass die Plätze überall knapp sind. Darüber hinaus sind die Masterplätze in Deutschland genauso knapp wie bei uns.

derStandard.at: Mehrere Rektoren haben bereits die Abschaffung des Anmeldesystems gefordert. Sind Sie da auch dafür - obwohl es nächstes Jahr die fixe Studienberatung geben soll?

Badelt: Die Voranmeldung hat sich nicht bewährt. Was wir brauchen, ist eine Vorverlegung der regulären Inskriptionsfristen, das ist auch unsere offizielle Forderung seitens der Rektoren. Wir sollten die regulären Inskriptionsfristen auf Mitte Juli vorverschieben, was auch zumutbar ist. Für andere Ausbildungsgänge muss man sich auch früher anmelden. Die jetzige Rechtslage, dass man sich bis Ende November für ein Studium anmelden kann, das im Oktober beginnt, halte ich für paradox. 

Bei der Studienberatung ist meiner Meinung nach der nächste Flop programmiert. Denn wenn wirklich für alle eine echte, individuelle Studienberatung gemacht werden soll, dann würde das viele Ressourcen kosten, die keiner hat. Die verpflichtende Studienberatung wird das Problem der Überlastung mancher Studiengänge also nicht lösen. So kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der Überhang an Interessenten in den Wirtschaftswissenschaften durch eine Studienberatung aufzulösen ist. Man wird nichts anderes machen können als Kapazitäten zu erweitern und gleichzeitig Zugangsregeln zu machen.

derStandard.at: Was halten Sie von dem Vorschlag, dass es EU-Ausgleichzahlungen zwischen den Ländern geben soll? 

Badelt: Der Vorschlag kommt immer wieder. Er ist sozusagen politisch ein edles Ziel, nur ist er derzeit völlig weltfremd. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass innerhalb der EU diese Problematik nicht als so dringend angesehen wird. Johannes Hahn (ehemaliger Wissenschaftsminister, Anm.) hat ein Interview gegeben, in dem er das einmal beschrieben hat: Es setzt jahrelange Lobbying-Arbeit in EU-Gremien voraus, um dort ein Verständnis zu schaffen. Ein bisschen haben die österreichischen Minister in den letzten Jahren damit begonnen. 

Es gibt ein paar andere Länder in Europa, wo eine ähnliche Situation herrscht. Zum Beispiel in Belgien und Frankreich oder auch innerhalb von Skandinavien. Aber die EU ist längst noch nicht so weit. Was nicht heißt, dass man nicht Lobbyieren kann. Aber zu glauben, dass das Problem der österreichischen Universitäten aktuell mit einer Ausgleichszahlung der EU gelöst werden kann, halte ich für nicht realistisch. 

Auch die Forderung, die Deutschen sollten uns dafür bezahlen, dass ihre Studierenden in Österreich studieren können, halte ich für politisch gut klingend, aber für irreal zum Quadrat. Denn die Deutschen beschränken mit voller Absicht den Zugang zu ihren Studien und haben überhaupt kein Interesse daran, dass ihre Staatsbürger dann auf ihre Kosten im Nachbarland studieren. 

derStandard.at: Die Österreichischen Universitäten brauchen also zunächst mehr Geld vom Bund und die Politiker sollen längerfristig bei der EU lobbyieren?

Badelt: Ja! Ich bin nicht sehr optimistisch, dass das sehr erfolgreich ist, aber das heißt nicht, dass man es nicht versuchen sollte. 

derStandard.at: Wie beurteilen sie die bisherige Arbeit von Minister Töchterle?

Badelt: Seine Arbeit wird daran zu messen sein, was wirklich an den großen Fronten der Unipolitik weitergeht. Seit er im Amt ist, hat es noch keine große Entscheidung gegeben, durch die man das abschätzen könnte. Dass er ein Verständnis für die Universitäten hat, ist offenkundig, weil er ja aus der Uni kommt. Aber die großen Fragen der Finanzierung, der Zugangsregeln, der Studienplatzfinanzierung, des Hochschulplans - das hängt alles in der Pipeline und ein Minister ist nur daran zu messen, was davon auch realisiert werden kann.

derStandard.at: Im Herbst wird der neue Präsident der Universitätenkonferenz gewählt. Wie ist die Stimmung in der Universitätenkonferenz hinsichtlich der Wahl?

Badelt: Es gibt drei deklarierte Kandidaten, das ist in den Medien auch schon so beschrieben worden. (Bast, Schmidinger, Schütz, Anm.) Es ist eine demokratische Wahl. Ob sie alle wirklich antreten, wird sich weisen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass es ein paar Leute gibt, die es können und wollen.

derStandard.at: "Die Presse" schreibt, Sie gelten als Überraschungskandidat. Ist das so?

Badelt: Das wäre auch für mich eine Überraschung.

derStandard.at: Sie werden also nicht kandidieren?

Badelt: Nein, ich habe es ausgeschlossen.

derStanard.at: Wer ist Ihr Favorit für das Amt des Präsidenten der Universitätenkonferenz?

Badelt: Das werde ich sicher nicht über die Medien ausrichten.

derStandard.at: Zuletzt gab es Kritik der SPÖ an den Rektoren, unter anderem vom Nationalrats-Abgeordneten Christoph Matznetter, der meinte, dass auch die Unis Schuld tragen an der Misere. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat gesagt, dass man überprüfen müsse, ob "Abläufe in den Universitäten tatsächlich dem heutigen Stand entsprechen". Arbeiten die Rektoren wirtschaftlich genug?

Badelt: Ich muss sagen, dass ich die Äußerungen vom Herrn Matznetter - da kann ich nur dem Herrn Bast zustimmen, der das auch gesagt hat - als eine erschreckende Unwissenheit und Ignoranz der Uni-Szene gegenüber interpretiere. Er weiß offensichtlich nicht, dass zum Beispiel die WU die größte elektronische Lernplattform Europas betreibt und rät uns dann über die Medien, wir sollten E-Learning einführen. Das ist ziemlich peinlich.

Was Bürgermeister Häupl gesagt hat, ist etwas, das für jede große Organisation gilt. Jede Organisation muss immer darauf achten, wie sie ihre Prozesse optimiert, das gilt sicher auch für Universitäten. Ich mache nur aufmerksam, dass die größten Ineffizienzen, die es in an Universitäten gibt - so auch in der unsrigen - ausschließlich durch den Gesetzgeber verursacht werden. 

Ich bin es leid, dass mir Politiker sagen, wir sollen die Effizienz steigern, solange die Politik nicht im Stande ist, eine Gesetzgebung zu formulieren, die Effizienz ermöglicht. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 12.9.2011)