Wien - Litauens Justizminister Remigijus Simasius wünscht eine aktivere Rolle der EU in der Causa Golowatow. Dies gab er laut der baltischen Nachrichtenagentur BNS auf einer Pressekonferenz am Freitag bekannt. Es habe auch bei dem zweiten bilateralen Expertengespräch am Donnerstag in Wien keine Verständigung zwischen Österreich und Litauen über die rechtlichen Grundlagen des Falles Golowatow gegeben. Darüber hinaus seien die Argument Österreichs "beleidigend" gegenüber den Opfern des Verbrechens.

Im Fall Golowatow geht es um die Festnahme in Österreich und die rasche Freilassung des von Litauen als mutmaßlichen Kriegsverbrecher gesuchten Michail Golowatow (Mikhail Golovatov). Litauen wirft Österreich mangelnde Solidarität und übereilte Vorgangsweise unter dem Druck der russischen Regierung vor.

Wichtige Fragen offen

Auch beim zweiten bilateralen Expertengespräch in Wien blieben laut Simasius wichtige Fragen offen. Bisher hätten die litauischen Experten keine Erklärungen vonseiten Österreichs erhalten, welche Dokumente notwendig gewesen wären, um Golowatow in Haft zu behalten.

Das österreichische Justizministerium sprach dagegen von einem "positiven" Ende des bilateralen Treffens. Nach Darstellung der österreichischen Justizbehörden kam in der Causa Golowatow das österreichische Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und nicht das Recht über den Europäischen Haftbefehl (EHB) zum Tragen, da die Golowatow vorgeworfene Tat im Jänner 1991, also vor dem 7. August 2002, begangen wurde. Grund dafür sei eine entsprechende Opt-Out-Erklärung Österreichs zu Artikel 32 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl.

In der Expertengruppe sei man übereingekommen, dass die bestehende Erklärung Österreichs einer Prüfung unterzogen werden solle, hieß es in einer Donnerstag Abend veröffentlichten Aussendung.

Österreichs Rechtsstandpunkt wird von Litauen nicht geteilt. Simasius meinte, Österreich hätten trotzdem Golowatow an Litauen ausliefern müssen. "Laut der uns vorliegenden Daten hätte Österreich anders handeln müssen", betonte er."Die Aussagen Österreichs, dass der Haftbefehl historische Fakten anstatt Informationen zu Golowatows Rolle in Litauen enthielte, sind unzureichend und in gewisser Weise beleidigend gegenüber den Opfern des Verbrechens", sagt der litauische Justizminister. "Für uns ist es mehr als Geschichte, es ist ein Verbrechen. Leider scheinen das manche Partner in der EU nicht zu verstehen."

Der Justizminister schlug vor, dass Vertreter der Europäischen Institutionen, die bisher eine beobachtende Funktion innehatten, eine aktivere Rolle übernehmen sollen. Die Fragen bezügliche des Europäischen Haftbefehls sollten auf europäischer Ebene behandelt werden.

Litauen fahndet nach dem russischen Staatsbürger Golowatow wegen in Litauen begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In der Nacht auf den 13. Jänner 1991 starben bei der Erstürmung des Vilniuser Fernsehturms durch sowjetische Truppen 14 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Wer für das Blutvergießen die Verantwortung trägt, ist bis heute strittig. Litauen sieht Golowatow als seinerzeitigen Kommandanten der Sondereinheit Alfa als einen der Haupttäter und als Kriegsverbrecher an. (APA)