Wien - Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September hat das Trauma ein Ende: Der New Yorker Firefighter Tommy Gavin stellte vergangenen Mittwoch den Spritzenwagen in der Garage ab, verräumte die Schläuche, die Gasmaske, hing den Helm an den Nagel und versperrte den Spind im Umkleideraum des New York Fire Departement Truck 62. Für immer.
Sieben Jahre holte Denis Leary in "Rescue Me" Menschen aus brennenden Gebäuden und hinterließ in beruflichem wie privatem Umfeld meist verbrannte Erde. Die Serie war Produkt ihrer Zeit: New York im Trauma nach 9/11.
Der 11. September 2001 veränderte die televisionäre Welt: Das "Goldene Zeitalter" des US-Fernsehens stand ganz am Anfang. Serien wie "Oz", "The Sopranos", "The West Wing", "Sex and the City" und "Six Feet Under" läuteten den vorübergehenden Untergang der Sitcoms ein: Zunächst gab es wirklich nicht mehr viel zu lachen im US-Fernsehen. Den Höhepunkt der Unironie setzte Jack Bauer in "24", der mehrfach die USA und den Präsidenten vor Terroranschlägen rettete, dabei gleichzeitig rechtsstaatliche Prinzipien über den Haufen warf und für den guten Zweck foltern durfte. Heldenhafte Soldaten flogen in "American Fighter Pilot" über Afghanistan. Die blutigen Seiten des Irakkriegs zeigte 2005 die Serie "Over There".
Andere gingen trickreicher vor: Die Katastrophenserie "Lost" fing unvergleichlich scharf Hilflosigkeit und Paranoia der Zeit nach 9/11 ein. Islamistische Extremisten stellten in "Sleeper Cell" im Wirkkreis der Anschläge einzementierte Wertvorstellungen infrage.
"Stadtneurotiker" neu erfunden
Sarkastisch und unsentimental näherte sich "Rescue Me" der Katastrophe: Die Kleinzellen Beruf und Familie umkreisend, kam es zu Schwel-, Flächen-, Busch- und Waldbränden: Nahezu überall, wo Tommy sich bewegte, wuchs danach kein Pflänzchen mehr. Emotionale Flammen loderten mit Exfrau Janet (Andrea Roth), Nebenfrau Sheila (Callie Thorne), mit Bruder (Dean Winters) und Vater (Charles Durning). Seine Schwester Maggie (Tatum O'Neal) war noch durchgeknallter, und das heißt etwas. Leary erfand den Typus des "Stadtneurotikers" neu. Seine Kollegen in der Wache waren nicht minder geschädigt als er.
Nirgendwo wurde deutlicher, dass sich die Brandstifter am ehesten unter jenen finden, die das Feuer löschen sollten. Vor allem in den Geschichten rund um die Feuerwehrleute war zu sehen, wie schwer sich die traditionell gestrickte männliche Psyche tut, mit Emotionen wie Trauer, Schmerz und Angst umzugehen - im Zweifelsfall mit Zynismus und schwarzem Humor. In beiden Disziplinen schaffte Rescue Me Bestnoten.
Der US-Sender FX versammelte zu Spitzenzeiten mehr als drei Millionen Zuschauer. Hierzulande ist "Rescue Me" auf Sixx und auf TNT Serie im Angebot von Sky zu sehen.
Am Beginn stand ein persönlicher Verlust von Denis Leary, der die Serie gemeinsam mit Peter Tolan erfand: Ein Cousin und ein Schulfreund kamen 1999 bei einem Brand ums Leben. Das Ende von "Rescue Me" geht in Ordnung. Handlungen wiederholten sich, die Zuseher blieben fern, alle wirkten etwas erschöpft.
Rescue Me bleibt dennoch Paradebeispiel einer Traumabewältigung: Nicht nur, weil reale Erlebnisse verarbeitet wurden, sondern vor allem, weil der Schock eine Qualität hervorbrachte, um die die New Yorker wissen und die sich in Tommy Gavin widerspiegelte: Standfestigkeit - gepaart mit einem ziemlich festen Riss in der Schüssel. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 10./11.9.2011)