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Josef Hickersberger wird sicher nicht zum dritten Mal österreichischer Teamchef. Erstens hat er keine Lust, zweitens fragt ihn auch keiner. "Zweimal reicht."
Standard: Eine rein hypothetische Frage, weil sich ÖFB-Präsident Leo Windtner bei Ihnen kaum melden wird. Aber hätten Sie Lust, ein drittes Mal Teamchef zu werden?
Hickersberger: Nein, nein, nein. Sie werden mich nicht fragen, und ich habe keine Lust. Ich war zweimal Teamchef, das reicht. Nach der Europameisterschaft habe ich beschlossen aufzuhören. Ich habe es nicht geschafft, unter die besten acht zu kommen. 2008 waren die personellen Alternativen bei weitem nicht so gut wie heute. David Alaba ist ein unglaublich interessanter Spieler, einige andere sind auch dazugestoßen.
Standard: Wie erklären Sie sich als Unbeteiligter das deutliche Scheitern in der EM-Qualifikation?
Hickersberger: Im Nachhinein betrachtet war nur die Terminkonferenz ein voller Erfolg. Es ist gelungen, das Heimspiel gegen die Deutschen knapp zwei Wochen nach Ende deren Meisterschaft auszutragen. Sie waren wirklich müde nach der langen Saison. Und die Türkei vor Beginn der Liga nach Wien zu holen ist eine große Leistung. Die Türken hatten kaum Praxis. Die optimalen Voraussetzungen wurden nicht genützt, das 0:2 gegen Belgien war ein Selbstfaller.
Standard: Dietmar Constantini ist zwar weg, sitzt aber noch für zwei Partien auf der Bank. Steckt da irgendeine Logik dahinter?
Hickersberger: Egal ob Logik oder nicht, es ist für alle Beteiligten eine schlechte Lösung. Ich kann und will mich in Constantini nicht reinversetzen. Keine Ahnung, wieso er nicht sofort aufhört. Ich habe zweimal gesagt: Danke, das war's. Aber ich bin ein anderer Mensch.
Standard: Woran krankt der ÖFB? Gibt es ein Grundübel?
Hickersberger: Ich bin kein Arzt. Dem Verband täte eine schlankere Struktur gut. Braucht man neun Landespräsidenten und irgendwelche Unterpräsidenten, die alle ein Mitspracherecht haben? Es reicht ein starker Präsident mit einer notwendigen Kontrolle. Ob wir einen starken Präsidenten haben, will ich nicht beurteilen.
Standard: Hatten Sie das Gefühl, dass Ihnen ausreichend Kompetenzen gegeben wurden?
Hickersberger: Ja. Ich konnte die Vorbereitung auf die EURO nach meinen Vorstellungen abwickeln. Man hat Geduld und Verständnis gezeigt. Die Meisterschaft wurde früher beendet. Und während meiner ersten Amtszeit wurde die Liga sogar unterbrochen. Das war auch ein Mosaiksteinchen, das die Teilnahme an der WM 1990 ermöglichte. Es ist nicht so, dass der ÖFB immer schuld ist.
Standard: Constantini sagte, ein Teamchef müsse ein begeisterungsfähiger Masochist sein. Stimmt das?
Hickersberger: In erster Linie muss er ein Fußballfachmann sein. Er benötigt die Rückendeckung des Präsidenten. Und er braucht die Hilfe der Liga. Ohne Vereine geht nichts.
Standard: Der Slowake Vladimir Weiss sagte nach dem 2:1-Sieg, dass Österreich die besseren Kicker habe, die Slowakei aber besser organisiert sei. Trifft er den Punkt?
Hickersberger: Ein paar Tage später hat die Slowakei gegen Armenien 0:4 verloren. Aber es stimmt. Unsere Spieler sind in guten Ligen engagiert, es hätte mehr rausschauen müssen. So wie beim 2:6 gegen Deutschland aufgestellt und gespielt wurde, ist das eine Überschätzung der eigenen Möglichkeiten und eine Verkennung der Stärken der Deutschen.
Standard: Ein Teamchef, der behauptet, Taktik werde überschätzt, ist ein Problem, oder?
Hickersberger: Das war eine unglückliche, patscherte Äußerung.
Standard: Muss man das Spiel mit den Medien und der Öffentlichkeit nicht besser beherrschen? Motto: Erst denken, dann reden.
Hickersberger: Das hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Du musst dich vorbereiten, das ist harte Arbeit. Vor und während der EURO war jeden Tag eine Pressekonferenz live im Fernsehen. Da musst du etwas bieten. Selbst mir, der die Medienarbeit von Rapid her kannte, ist ein Fehler passiert. Ich habe gesagt: Nicht die Besten, die Richtigen müssen spielen. Dieser Satz ist tiefsinnig. Für 90 Prozent der Fußball-Öffentlichkeit war er aber unverständlich.
Standard: Es gibt unterschiedliche Trainertypen. Die junge Generation wie Tuchel oder Klopp, die älteren Herren wie Rehhagel, den Daum und diverse Selbstdarsteller. Wer passt zum Team? Wie muss das Anforderungsprofil aussehen? Was wurde von Ihnen verlangt?
Hickersberger: Ich war mit Rapid Meister, hatte Erfolg, der ÖFB wollte mich unbedingt, da gab es kein Anforderungsprofil. Es ist nicht meine Aufgabe, über Nachfolger nachzudenken. Natürlich wäre ein Taktiker gut. Du kriegst keinen Mourinho, keinen Klopp, keinen Wenger, keinen Hiddink. Das ist frommes Wunschdenken.
Standard: Reicht das Potenzial, um die WM 2014 zu bereichern?
Hickersberger: Ich halte das für durchaus möglich.
Standard: Stehen Sie eigentlich auf Marko Arnautovic?
Hickersberger: Ich stehe auf keinen Spieler. Er ist Problem und Hoffnung in einer Person. Ob er teamfähig wird, muss er erst beweisen. Wir haben nur eine Chance, wenn wir eine geschlossene Mannschaft aufs Feld bringen. Die Richtigen müssen spielen. (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2011)