"So eine Wohnung könnten wir uns in New York nicht leisten. Unmöglich!" Gayle Berry-Zöchbauer in ihrer Mietwohnung im Wiener Museumsquartier.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Gayle Berry-Zöchbauer, Managerin für Global Sales bei Austrian Airlines, verbrachte 9/11 in New York. Wojciech Czaja erzählte sie: Nirgendwo ist es schöner als in Wien.

"Ich arbeite für Austrian Airlines. Am 11. September 2001 war ich gerade in New York und habe ein Seminar für unsere nordamerikanische Sales-Organisation abgehalten. Die Stimmung in der Gruppe war ziemlich angespannt. Nach nicht einmal einer Stunde wollten die Leute schon eine Pause machen. Eine Teilnehmerin sagte mir: 'Ich weiß nicht genau, was los ist, aber irgendwas stimmt nicht.' Zu dieser Zeit war bereits das erste Flugzeug ins World Trade Center geflogen.

In Hotel herrschte Panik. Es war das absolute Chaos! Die Menschen sind hysterisch hin- und hergelaufen und haben geschrien: 'Wir werden attackiert!' Ich habe die Situation nicht sofort begriffen. Alles war so abstrakt. Erst als ich auf die Terrasse hinausgegangen bin und die Rauchwolken im Twin Tower gesehen habe, wusste ich: Das passiert wirklich. Das ist real. Wenig später dann das zweite Flugzeug. Und dann der Einsturz. Es war unfassbar.

In den nächsten paar Tagen war die Stadt, wie man sich vorstellen kann, im absoluten Ausnahmezustand. Zuerst war ich nur bei meiner Familie und habe mich vor dem Fernseher verkrochen, so wie alle. Ein paar Tage später bin ich dann zum Flughafen gefahren und habe mitgeholfen, die ersten Flüge von New York nach Wien zu koordinieren und die Passagierlisten zu verwalten. Alle waren emotional aufgeladen. Das war nicht einfach.

Nach ein paar Tagen war das Gröbste erledigt. Da bin ich dann selber im Flugzeug nach Wien gesessen. Ich war heilfroh, New York endlich verlassen zu können. Die Energie in der Stadt war nicht mehr auszuhalten. 9/11 hin oder her, aber ehrlich gesagt ist das Leben in Wien viel angenehmer.

Man kann zu Fuß gehen, man kann unbesorgt durch sämtliche Stadtviertel spazieren, man kann stundenlang im Schanigarten sitzen, ohne dass einem die Handtasche geklaut wird, man kann baden, man kann wandern, man kann so viele unterschiedliche Dinge tun, die den Alltag so schön machen. Außerdem gibt es hier keine Kakerlaken. Wien ist in dieser Hinsicht wirklich einzigartig. Ich liebe diese Stadt! Und ganz nebenbei habe ich meine Liebe zum Jugendstil entdeckt. Nur die Lebensmittelgeschäfte, die rund um die Uhr geöffnet sind, fehlen mir. Um drei Uhr nachts eine Packung Eiscreme kaufen und dazu einen Blumenstrauß? Jetzt lebe ich schon mehr als elf Jahre in Österreich, und immer noch muss ich mir ganz genau ausrechnen, wann für mich das perfekte Zeitfenster zum Einkaufen ist, damit ich nicht schon wieder vor versperrten Schiebetüren stehe. Luxusprobleme!

Was für mich von Anfang an klar war: Wenn ich schon in Wien lebe, dann will ich auch wirklich Wien um mich haben und nicht ein Stück New York importieren. Sie wissen schon: Parkettboden, doppelflügelige Türen, Jugendstil-Luster, Thonet-Stühle und Billy-Regale von Ikea. Sehr österreichisch halt. Das einzige Erinnerungsstück an New York ist der große, fette Fauteuil mit den breiten, hölzernen Armlehnen.

Mein Mann Franz und ich, wir wohnen in einer 150 Quadratmeter großen Mietwohnung im Museumsquartier. Auf der einen Seite sehen wir das Maria-Theresia-Denkmal, die Hofburg und den Stephansdom, auf der anderen Seite sehen wir das Mumok und hören jeden Abend den Sound von klirrenden Gläsern und Leuten, die ihre Freizeit genießen.

Es ist das Paradies auf Erden! So eine Wohnung könnten wir uns in New York niemals leisten. Unmöglich! Da kann man schon froh sein, wenn man eine leistbare Wohnung findet, die so groß ist wie unser jetziges Badezimmer." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.9.2011)