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Vor der Ankunft des Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrats, Abdul Jalil, in Tripolis, üben sich ehemalige Rebellen darin, so etwas wie ein Spalier zu bilden.

Foto: dapd

Wie es sich für den ersten Mann im Land gehört, wurde für Mustafa Abdul Jalil am Samstagabend auf dem Militärflughafen Mitiga der rote Teppich ausgerollt. Der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats landete zum ersten Mal seit der Befreiung von Tripolis am 23. August in der Kapitale. Er wurde von einer Menge Schaulustiger begrüßt. Seine Reise wurde von einem Sprecher des Rates als historisch bezeichnet. Sie ist in jedem Fall ein weiteres Signal, dass Gaddafi den Neuanfang nicht mehr aufhalten kann, auch wenn der Diktator immer noch auf der Flucht ist. Die Details der Visite waren aus Sicherheitsgründen geheim gehalten worden.

Abdul Jalil war nur zu Besuch in Tripolis. Sein endgültiger Umzug von Benghazi in die Hauptstadt wird erst erfolgen, wenn sämtliche Regionen befreit sind. In einem kurzen Statement erklärte er, jetzt sei nicht die Zeit für Vergeltung, sondern die Zeit zusammenzustehen, um die letzten Gebiete noch zu befreien, erst dann sei der Sieg vollkommen. In Misrata, wo er einen kurzen Zwischenstopp eingelegt hatte, bestätigte der neue starke Mann Libyens, dass die Situation jetzt in den Händen der Kommandanten auf dem Schlachtfeld liege.

Die Gaddafi-Loyalisten in den letzten Widerstandsnestern hatten das Ultimatum, die Waffen bis Samstag null Uhr niederzulegen, nicht nur verstreichen lassen, sondern die Waffenruhe selbst gebrochen und angegriffen. Damit lieferten sie auch der Nato den Vorwand einzugreifen, was deren Kampfjets am Wochenende vor allem in Bani Walid mit mehreren Luftschlägen getan haben.

Mehr Gegenwehr als erwartet

Der Einsatz der Luftwaffe hatte zur Folge, dass die Rebellen, die in die Nähe des Zentrums der Stadt 140 Kilometer südöstlich von Tripolis vorgedrungen waren, um Scharfschützen auszuschalten, sich wieder zurückziehen mussten. Die Kämpfe haben auf beiden Seiten mehrere Tote gefordert. Die Rebellen stießen in Bani Walid auf mehr Gegenwehr als erwartet. Im Stadtzentrum, das etwas erhöht liegt, gibt es fast nur Geschäfte und kaum Wohnhäuser. Die Einwohner leben vor allem entlang der beiden Talflanken. Sie werden von den Gaddafi-Kräften faktisch als menschliche Schutzschilde eingesetzt.

Die Militärführung des Übergangsrats geht davon aus, dass zwar mehrere hochrangige Gaddafi-Offiziere in den letzten Tagen die Flucht nach Niger angetreten haben, dass sich aber Gaddafi-Sohn Saif al-Islam und vermutlich auch sein Bruder Saadi - die als besonders wertvolle "Ziele" bezeichnet werden - sowie der ehemalige Regierungssprecher Moussa Ibrahim in der Umgebung von Bani Walid verschanzt halten.

An der Ostfront in Gaddafis Heimatstadt Sirte kommen die Rebellen auch nur langsam voran. Sie haben in der zentralen Stadt Misrata ein großes Kontingent von Kräften zusammengezogen, die für eine Unterstützung der Kämpfe in Sirte, Bani Walid und Sabha bereitstehen. In den kommenden Tagen will der Übergangsrat die Ölproduktion wieder aufnehmen. (Astrid Frefel aus Tripolis /DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2011)