Tripolis - Der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi "war kein Monster, aber es ist eine Tatsache, dass er für die Unterdrückung in Libyen verantwortlich war". Das sagte die zuletzt für Libyen zuständige österreichische Botschafterin, Dorothea Auer, dem ungarischen Nachrichtenportal "origo" in einem in der Nacht auf Montag veröffentlichten Interview.
Auer, die ihr Amt derzeit von der tunesischen Insel Djerba aus ausübt, hofft darauf, dass die künftige libysche Regierung die verschiedenen Gruppierungen des Landes ausgewogen repräsentieren wird. "Es hängt viel davon ab, was für eine Übergangsregierung eingesetzt wird: Im Idealfall wird jede Gruppierung, jeder libysche Stamm darin vertreten sein." Es sei aber gleichzeitig wichtig, auch zuzulassen, dass die Libyer "nicht einer Meinung sind und debattieren".
Man müsse beim Aufbau eines Post-Gaddafi-Staates auf jeden Fall aus den Erfahrungen im Irak lernen, nämlich "dass man ein Staatssystem nicht vollständig auflösen darf", unterstrich die Botschafterin. In Libyen werde allerdings der Aufbau einer Demokratie selbst bei Beibehaltung der "rettbaren Institutionen" nicht einfach sein, "denn in diesem Land gab es ja nie freie Wahlen".
Die Rolle der westlichen Länder müsse vor allem jene der "Beratung und Bildung" sein, meinte die Botschafterin. Keinesfalls dürfe man "belehrend" auftreten, warnte sie. Finanziell sieht Auer für Libyen weniger ein Problem: Sobald die libyschen Öllieferungen wieder angelaufen seien, "wird das eines der reichsten Länder sein. Wenn sie diese Einkünfte klug verwenden, werden sie genug Geld haben, um das Land wieder aufzubauen". (Der Übergangsrat gab am gestrigen Sonntag bekannt, dass die Ölproduktion wieder angelaufen sei, Anm.)
Was die unter den Rebellen zu findenden politischen Einstellungen betreffe, so dürfe man "nicht bagatellisieren", dass es vor allem in den östlichen Regionen "Extremisten, Salafisten" gebe. Sie hoffe allerdings, dass die islamischen Strömungen in dem Land "gemäßigt sein werden". Sie lobte gleichzeitig den Chef und den Regierungschef des Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil und Mahmud Jibril. "Ihnen ist es auch zu verdanken, dass er (der Übergang, Anm.) leichter gelaufen ist als wir befürchtet hatten."
Die österreichische Botschaft in Tripolis ist seit Ende Februar nicht mehr besetzt, Auer ist aber nach eigenen Angaben in täglichem Kontakt mit einem Dolmetscher, der sich um das Gebäude kümmert. Ihrer Meinung nach sei es "eine Frage von Wochen", dass die diplomatische Vertretung wieder in die libysche Hauptstadt verlegt werde. Nach Angaben der Internetseite des Außenministeriums ist die Vertretung Österreichs für Libyen derzeit ausschließlich über die Botschaft in Tunis zu erreichen.
Botschafterin Auer sprach mit "origo" am Rande eines österreichisch-ungarischen Botschaftertreffens vorletzte Woche im ungarischen Pannonhalma. (APA)