Eine Praline mit Mann: "The Chocolate Bar".

Foto: Huws

Wien - Es ist eine sehr englische "Middle Class"-Hochzeit. Frauen mit extravaganten Hüten und in duftigen Kleidern, Herren, die an Butler erinnern. Die Stimmung: "royal". Man posiert und hält Ansprachen, es wird diniert und getanzt. Dennoch hat die walisische Künstlerin Bethan Huws mit A Marriage in the King's Forest kein Homevideo gedreht, sondern eine Art ethnologischer Dokumentation über das Heiraten nach westlichen Gebräuchen.

Die 1961 geborene und in Berlin lebende Objektkünstlerin zeigt ihr schmales, aber fabelhaftes filmisches Euvre jetzt bei Bawag Contemporary. Huws bringt es fertig, die Blicke jener zu fesseln, die sich ohne großes Vorwissen in poetischen Bildern verlieren können, und zugleich ein raffiniertes referenzielles Spiel für echte Spezialisten vorzuführen.

Wie A Marriage in the King's Forest ist auch ihr erster Film Singing for the Sea von 1993 eine ethnologisch und dokumentarisch angelegte Studie. Acht Frauen in bulgarischer Tracht singen und tanzen an einem Strand. Über einer grauen See türmen sich Wolkengebilde. Die Gesänge der Frauen ergeben ein Klangbild am Rand zum "Orientalischen". Ihr gemessener Reigen im Dreiviertelkreis ist rhythmisch dem Vor und Zurück der Brandung angeglichen.

In Fountain, entstanden vor zwei Jahren, holt sich Huws das domestizierte Wasser von römischen Barockbrunnen vor die Linse, wie es in gleißender Sonne oder in wohltuendem Schatten plätschert. Im Rhythmus der Bilder spricht die Künstlerin einen Text über Marcel Duchamps Readymade Fountain - das berühmte Pissoir - und sein rätselhaftes letztes Werk Étant donnés. Das erinnert an eine der Wortvitrinen, die einen wichtigen Teil von Bethan Huws' bisherigem Euvre ausmachen: eine schwarze Buchstabenstecktafel, auf der zu lesen ist: "Piss off I'm a fountain!"

Ganz im Bann von Duchamp steht auch der Film The Chocolate Bar (2006). Darin verbindet Huws Flaschentrockner, die Schokoladenmühle aus dem Großen Glas und Duchamps Rolle als "Rrose Sélavy" mit einem gemeinen Schokoriegel, an dem sich ein Schönling in Ekstase frisst: die Karikatur eines Werbespots mit klarer Marke. Mars macht geil.

Nichts ist harmlos in den Expeditionen von Bethan Huws: Eng haben es die Hochzeiter, die ihre Klischeekiste zelebrieren. Verloren wirken die Folkloristinnen an ihrem kalten Strand. Am Verwittern sind die Brunnen in der Ewigen Stadt und verloren die Existenzen am Schokohorizont.

Konsequent also, dass der junge Mann in dem fast einstündigen Streifen Ion On aus 2003 allein in weiter sardischer Landschaft mit Feldern und Hainen, vor einem sterbenden Baum und in einer Fabriksruine sich in nebelhaften Kunstdiskursen ereifert.

Bei blendendem Schönwetter selbstverständlich. Was die oft gefährlichen Nähen zwischen erhellendem Diskurs und verblendeter Rede scharf genug konturiert. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 13. September 2011)