Knapp zwei Monate nach den Attentaten von Oslo und Utöya haben die Norweger über die Zusammensetzung der neuen Gemeinderäte und Kommunalparlamente entschieden. Nachwahlbefragungen am späten Montagabend kurz vor der Schließung der Wahllokale zufolge zeichneten sich für die beiden größten Parteien, die regierende Arbeiterpartei unter Ministerpräsident Jens Stoltenberg sowie die konservative Höyre, mit rund 33 beziehungsweise 26 Prozent, Rekordergebnisse ab.
Alle anderen Parteien - mit Ausnahme der Liberalen - mussten im Vergleich zu den Kommunalwahlen von 2007 mit Verlusten rechnen. Vor allem die rechtspopulistische Fortschrittspartei hatte in den Wochen nach den Attentaten Sympathien eingebüßt. Die Partei, seit 2005 zweitgrößte Kraft im Storting, konnte nach den Umfragen nur mehr auf rund zwölf Prozent Zustimmung bauen, fünf Punkte weniger als 2007.
Nichts Falsches sagen
Der kürzeste Wahlkampf in der modernen Geschichte Norwegens war im Zeichen des Terrors und der Trauer gestanden. So hatten die Spitzenpolitiker mit sachlichem Ton und einem weitgehenden Verzicht auf persönliche Angriffe Zeichen gesetzt. Mehrere Wahlbeobachter kritisierten die vorwiegend um Bildungs-, Gesundheits- und Seniorenpolitik geführte Debatte allerdings als zu defensiv. Die Angst, vom Terror Betroffene zu verletzen und "etwas Falsches zu sagen" , habe die politische Programmatik bisweilen in den Hintergrund treten lassen. Zurückhaltung hatte sich namentlich Siv Jensen als Chefin der Fortschrittspartei bei ihrem langjährigen Paradethema Einwanderung auferlegt. Jensens Verbleib an der Parteispitze ist angesichts des sich abzeichnenden Wahlfiaskos bereits Gegenstand von Spekulationen.
Die Diskussion lokaler Themen im Wahlkampf hatte nicht zuletzt Konflikte auf Landesniveau gemeinsam agierender politischer Blöcke sichtbar gemacht. So sorgte die Verkehrsplanung in der Hauptstadt Oslo für Zwist zwischen den drei rot-grünen Koalitionsparteien. Gleichzeitig signalisierten die Parteien Kooperationsbereitschaft über Blockgrenzen hinaus. "Kompromisse stehen in Norwegens Politik hoch im Kurs, wenn es um langsichtige nationale Interessen geht" , summierte das Blatt Aftenposten. Der schwere Sommer 2011 habe daran erinnert, "dass es in Norwegen mehr gibt, was uns vereint, als was uns trennt." Laut Umfragen zeichnete sich auch eine überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligung ab. (Anne Rentzsch aus Stockholm/DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2011)