Berlin - Im deutschen Bundestag spielte sich vergangene Woche bei der Haushaltsdebatte eine bemerkenswerte Szene ab. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schaute in die Runde und sprach dann mit Nachdruck: "Scheitert der Euro, scheitert Europa." Da endlich blitzte jene Leidenschaft für Europa durch, die viele an Merkel vermissen. Überhaupt war Merkel zu diesem Zeitpunkt nicht schlecht gelaunt. Schließlich hatte ihr gerade das Verfassungsgericht bescheinigt, dass die deutschen EU-Hilfen rechtens seien.
Doch wenige Tage nach ihrer Rede holen Merkel neue Probleme ein. Zu ihrer größten Baustelle (wie kann ich meine Leute von der Erweiterung des EU-Rettungsfonds überzeugen?) kommen noch weitere hinzu.
Bei besagtem Auftritt im Bundestag hatte Merkel nämlich auch versprochen: "Wir arbeiten an einer Stabilitätsunion." Sollen Abgeordnete und Bürger nur ja nicht glauben, die deutsche Regierung werfe Pleitekandidaten wie Griechenland deutsches Steuergeld hinterher. Der Abgang von EZB-Volkswirt Jürgen Stark jedoch konterkariert dies. Der stabilitätsorientierte Geldpolitiker trat ab, weil er den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB nicht mehr mittragen wollte und sich in seinem Kurs offenbar von Merkel zu wenig unterstützt fühlte.
Mehrheit traut Merkel nicht
Dass Stark nun in der Irish Times erklärt, in der aktuellen Schuldenkrise sei "kein Land wirklich geschützt", trägt auch nicht gerade zur Beruhigung der Deutschen bei. Die Mehrheit der Deutschen (55 Prozent) glaubt ohnehin nicht, dass Merkel eine neue Finanz- und Wirtschaftskrise verhindern kann. Schon im Vorjahr sorgte Merkels langes Zögern bezüglich der Griechenland-Hilfen für Unruhe. Viele sind überzeugt: Wäre Merkel beherzter in die Bresche gesprungen, wäre es letztendlich billiger gewesen.
Zudem muss Merkel nun Tendenzen jener Entsolidarisierung in ihrer Koalition erkennen, die sie bisher zu verhindern versuchte. Nachdem Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) als erstes Regierungsmitglied eine Pleite Griechenlands nicht mehr ausschloss, scheint der Damm gebrochen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer meinte am Montag, notfalls müsse man Griechenland aus der Währungsunion ausschließen. Ihr Sprecher findet das alles keine gute Idee, Merkel selbst schweigt. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.9.2011)