
Luxuriösen Einzelunterricht - hier eine probende Studentin an der Musik-Uni Wien - könnte man für Nicht-EU-Bürger durchaus kostendeckend anbieten, meint der Wissenschaftsminister.
Wien - Es klingt verführerisch, Studiengebühren selbst einheben zu dürfen. Uni-Autonomie leben. Die überlaufenen Fächer teuer machen und diejenigen mit freien Kapazitäten billiger - und schon wechseln die schwerfälligen Studierendenströme ihre Richtung. Von Nicht-EU-Bürgern könnte man vielleicht sogar deutlich mehr als die staatlich verordnete Höchstgrenze von 500 Euro pro Semester verlangen. Vor allem in der Luxuskategorie der Musik-Unis, wo exquisite Solisten-Ausbildung derzeit noch extrem günstig erworben werden kann.
Verführerisch? Oder das Gegenteil? Die Zukunftsvorstellungen, die Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle am Sonntag in der ORF- Pressestunde ausgemalt hat, gefallen nicht allen Rektoren.
Unis, Fächer, Nationen
"Von autonomen Studiengebühren halte ich überhaupt nix", sagt der Rektor der Uni für Musik und darstellende Kunst Wien, Werner Hasitschka - anders als WU-Rektor Christoph Badelt, der sie "befürwortet". Das so lukrierte Geld würde nur ein paar Prozent seines Budgets ausmachen, aber "einen haltlosen Wettkampf und ein höchst kompliziertes Gebührensystem, gegliedert nach Unis, Fächern und Nationen, zur Folge haben", warnt Hasitschka im Gespräch mit dem Standard: "Das würde zu einem bildungspolitischen Entsolidarisierungskahlschlag führen", prophezeit er. Wenn, dann müsste es einheitliche Studiengebühren geben, abgefedert durch stabile Stipendien.
Auch die Vorstellung, dass es künftig billigere und teurere Studienfächer geben könnte, irritiert den Rektor der Musik-Uni: "Da droht neoliberaler Wahnsinnswettbewerb von Fach zu Fach."
Der Präsident der Universitätenkonferenz (uniko), TU-Graz-Rektor Hans Sünkel, warnt im Standard-Gespräch ebenfalls vor unerwünschten Nebenwirkungen autonomer Studiengebühren. "Es kann sicher nicht so sein, dass wir für die von der Wirtschaft besonders nachgefragten MINT-Fächer - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik -, die aber von den Studierenden, insbesondere Frauen, derzeit nicht übermäßig gern belegt werden, fast gar nichts einnehmen dürfen, um sie ,billiger' anzubieten, in der Hoffnung, dass mehr Leute kommen."
Ausgleich für "billige" Fächer
Für jene Unis, die diese Fächer anbieten, müsste es dann "Ausgleichszahlungen vom Bund oder von der Wirtschaft geben", fordert der Rektorenchef. Außerdem pocht er darauf, dass die laufende "MINT-Initiative" vom Bund unbedingt verlängert werden müsse. Bis Ende 2012 sollen 40 Millionen Euro ausgeschüttet werden - aufgeteilt auf MINT- und Massenfächer, wie ist aber noch offen.
Eine Uni, die aufgrund ihres spezifischen Angebots quasi einen markttechnischen USP (unique selling point) hat, ist die Montan-Uni Leoben. Auch ihr Rektor Wolf Wegscheider relativiert die künftig mögliche Freiheit zur Einhebung von Studiengebühren im Gespräch mit dem Standard: "Man darf nicht vergessen, das ist in erster Linie ein Vehikel, das vielleicht Bewegung in die Koalition bringen soll - aber auch mit 500 Euro Studiengebühr wird kein Rektor reich." Bei Studierenden aus Schwellenländern würde er "sowieso sofort auf die Einhebung verzichten". Nicht nur aus entwicklungspolitischen Gründen, "auch mit einem gerüttelt Maß an Selbstsucht der Republik Österreich, denn diese Länder sind Rohstoffländer und eine riesige Chance, wenn sie ihre Experten bei uns ausbilden". Die größte Gruppe aus Nicht-EU-Ländern in Leoben kommt aus China, derzeit 60 Studierende.
"Interessant und spannend" nennt Gerald Bast, Rektor der Uni für angewandte Kunst Wien und uniko-Vizevorsitzender, Töchterles "erfrischenden Vorschlag" für variantenreiche Studiengebühren - allerdings nur für Nicht-EU-Bürger, wie er im Standard-Gespräch betont. Von diesen könnte man "vielleicht sogar im hohen Bereich" Studiengebühren verlangen, "weil es durchaus Staaten und Studierende gibt, die keine sozialen Probleme haben, sondern die in Österreich Qualität suchen".
Eine innerösterreichische Differenzierung zwischen den einzelnen Unis oder sogar Fächern lehnt Bast als "nicht sinnvoll" ab - vor allem unter dem Aspekt, dass die Studiengebühren ja kein "notwendiges Instrument" für die Unis sein, sondern Einnahmen bringen sollen für "zusätzliche Investitionen im Studienbetrieb. Die ausreichende Finanzierung der Unis muss ja vom Staat gesichert sein."
Das sieht auch Eva Blimlinger so. Die designierte Rektorin der Akademie der bildenden Künste stößt sich an Wissenschaftsminister Töchterles Formulierung: "Der Staat hebt keine Gebühren mehr ein." Die Universitäten könnten das in Zukunft im Rahmen ihrer Autonomie tun. "Die Unis sind der Staat, auch als autonome sind sie staatliche Unis." Blimlinger kritisiert, dass das "Problem Studiengebühr mit dem Begriff Autonomie camoufliert und einfach den nächsten zugeschoben wird - den Unis".(Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2011)