
Rainer Polster: "Die Märkte suchen nach Halt. Eine nachhaltige Lösung ist aber nicht in Sicht."
Um die Märkte zu beruhigen, müssen verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, sagt Rainer Polster, Chef der Deutschen Bank in Österreich. Was der Banker sich von der Politik wünscht, verriet er Bettina Pfluger.
STANDARD: Die Börsen sind nervös. Angst vor Rezession und Schuldenkrise bestimmen das Geschehen. Wie lange wird das noch dauern?
Polster: Die Märkte suchen nach Halt. Eine nachhaltige Lösung ist aber nicht in Sicht. In den vergangenen Monaten ist das Programm zum Anleihenkauf durch die US-Notenbank ausgelaufen. Das Ende dieser Maßnahme und keine wirklich neue Initiative sorgen für Verunsicherung. Zusätzlich gab es in Europa zuletzt deutliche Korrekturen bei den Makrozahlen.
STANDARD: Was wollen die Märkte sehen, um wieder Boden zu fassen?
Polster: Im aktuellen Umfeld, in dem wir auf der regulatorischen Seite für die Akteure am Finanzmarkt mit Basel III und Solvency II schon viel Klarheit haben, sind verbindliche Rahmenbedingungen gefragt. Das Problem ist in erster Linie eines auf der Ebene der Staaten. Daher muss auch die Antwort von der Politik kommen.
STANDARD: Die Antwort der Politik heißt dann 15 Tage Leerverkaufsverbot. Bringt das etwas?
Polster: Das kann sicher in dem Moment, wenn es verkündet wird, zu einer gewissen Korrektur führen. Wird so eine Maßnahme nicht als nachhaltig angesehen, werden wir daraus keine stabilisierenden Effekte sehen. Wir brauchen klare Richtlinien von der Politik, wie sie die ausufernden Staatsschulden und die weitere europäische Integration angehen will. Es müssen die Ursachen bekämpft werden und nicht nur die Auswirkungen.
STANDARD: Schuldenbremse hier, Reichensteuer da. Eine Koordination der Ideen fehlt ebenso.
Polster: Ich glaube, das zeugt primär davon, dass man davor zurückschreckt, die Ursachen zu bekämpfen. Oder auch einzusehen, dass wir in Europa nach der Währungsunion eine Annäherung auf der fiskalischen und politischen Seite brauchen.
STANDARD: Ihr Chef, Josef Ackermann, hat vor ein paar Tagen die Sinnhaftigkeit mancher modernen Finanzprodukte hinterfragt und diese als Verstärker des derzeit negativen Trends dargestellt. Verkauft werden diese Produkte, etwa Zertifikate, aber auch von ihrem Haus. Warum streicht man diese nicht aus der Angebotspalette, um ein Zeichen zu setzen?
Polster: Wir haben bereits einige Produktlinien eingestellt, etwa Verbriefungen. Die gestiegene Kapitalunterlegung macht diese Geschäfte zu teuer und das Risiko ist für Kunden zu groß geworden. Herr Ackermann hat darauf hingewiesen, dass wir unsere gesamte Tätigkeit in allen Bereichen noch einmal daraufhin überprüfen, ob wir damit unserer genuinen Aufgabe als Diener der realen Wirtschaft gerecht werden.
STANDARD: Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers wurden die Investmentbanken verteufelt. Wie hat sich ihr Geschäft seither verändert?
Polster: Das lässt sich gut am Geschäft in Österreich darstellen. Die Anforderungen von der Kundenseite sind gestiegen. Jede Transaktion wird schwieriger, dauert länger, erfordert mehr Ressourcen. Wir betreuen heute weniger Kunden, diese aber intensiver. Daher haben wir unsere Mannschaft in Österreich auf über 160 Mitarbeiter aufgestockt.
STANDARD: Inwieweit sind denn die Probleme am heimischen Kapitalmarkt – offene Prozesse, Korruptionsvorwürfe etc. – bei internationalen Investoren ein Thema?
Polster: Auf der institutionellen Ebene findet das noch keine beeinträchtigende Berücksichtigung. Ich glaube aber, dass wir schon aufpassen müssen, dass sich die Probleme aus den Einzelfällen nicht verallgemeinern. Wir haben in Österreich eine ganze Reihe von professionellen Unternehmen, die sich im internationalen Umfeld auch sehr gut behaupten können.
STANDARD: Was würden Sie auf einen Wunschzettel an die Europa-Politiker schreiben?
Polster: Der einzige und wichtigste Wunsch wäre, das einzugestehen, was sowieso schon Realität ist: Wir brauchen eine vernünftige Diskussion über eine fiskalische und politische Integration. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.9.2011)