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Spindelegger: "Das bedroht die Banken in ihrer Existenz."

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Österreichs Banken droht neues Ungemach aus Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orbán hat einen teilweisen Schuldenerlass für ungarische Kreditnehmer unterstützt. Viele von ihnen haben Wohnbaukredite in Schweizer Franken aufgenommen und können diese wegen des Höhenflugs des Schweizer Franken nicht mehr begleichen. Ihre Verluste sollen nun teilweise die - österreichischen - Banken tragen. Diese haben noch ein Kreditvolumen von rund fünf Milliarden Euro in Ungarn ausstehen.

Außenminister Michael Spindelegger (VP) sprach von einem "gehörigen Problem" und forderte die EU-Kommission auf, beim Europäischen Gerichtshof eine einstweilige Verfügung gegen die Pläne zu prüfen. Banker sprachen von einer drohenden "Enteignung" .

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Wien - Die österreichische Bundesregierung wird auf EU-Ebene mit allen Mitteln gegen Pläne der Regierung in Budapest vorgehen, wonach Ungarn ihre Fremdwährungskredite in Forint umtauschen können und die kreditgebenden Banken dabei per Gesetz gezwungen werden, die Hälfte der Verluste zu übernehmen. Das hat Vizekanzler Michael Spindelegger am Montag am Rande des EU-Außenministertreffens in Brüssel in ungewöhnlich scharfen Worten deutlich gemacht.

Es gebe mit der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán "ein gehöriges Problem", sagte er. Die Vorgangsweise sei "nicht sachgerecht, kann viel Porzellan zerschlagen" und sei nach seiner Auffassung "europarechtlich nicht haltbar". Daher habe er, Spindelegger, die EU-Kommission dazu aufgefordert, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuschalten. Er sehe die Möglichkeit, dort eine sofortige einstweilige Verfügung gegen Ungarn durch die EU-Höchstrichter zu erreichen, so der Außenminister.

Das habe er seinem Kollegen János Martonyi "in schroffer Form" zur Kenntnis gebracht, fuhr Spindelegger fort. Bundeskanzler Werner Faymann werde dies auf der Ebene mit Premier Orbán tun. Es sei "nicht akzeptabel" und verstoße gegen die EU-Binnenmarktregeln, wenn die ungarische Regierung in privatwirtschaftliche Verträge eingreife: "Das bedroht die Banken in ihrer Existenz." Einige Banker sprachen unter der Hand von "Enteignung"; die Österreichische Nationalbank warnte davor, dass die entstehende Rechtsunsicherheit Investoren abschrecken könnte.

Der Plan im Detail: Inhaber von Hypothekarkrediten in Fremdwährungen - vor allem Schweizer Franken, aber auch Euro - sollen die Möglichkeit erhalten, ihre ausstehende Kreditsumme vorzeitig zurückzuzahlen. Das solle zum festgelegten Kurs von 180 Forint zum Schweizer Franken und 250 Forint zum Euro erfolgen. Die Kosten für die Tilgung sollen die Banken tragen, so der ungarische Premier, ebenso die entstehende Differenz zu den Marktkursen. Derzeit bekommt man für einen Euro rund 280 Forint; für einen Franken rund 240 Forint.

Der Ungarn-Experte im Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche, Sandor Richter, hält die Einmalzahlung für einen entscheidenden Pferdefuß in dem Orbán-Programm: Nur wenige Haushalte würden von einer vorzeitigen Tilgung Gebrauch machen können. Kommt es dabei zu der Möglichkeit, dass die Haushalte in Forint-Kredite umschulden und viele Kreditnehmer dies auch tun, befürchtet Richter Schwierigkeiten für die ungarische Währung. Insgesamt dürften 287.000 Haushalte über Hypothekarkredite in Hartwährung verschuldet sein. "Da Chaos heraufzubeschwören, ist wenig dienlich", so Richter.

Orbán hingegen wies Gefahren für das Finanzsystem zurück und erklärte: Hinter den ausländischen Banken stünden die Mutterbanken und hinter den ungarischen der ungarische Staat. Jedoch würden Kreditnehmer, die ihre Franken-Darlehen unter einem festgelegten Wechselkurs aufgenommen hatten, des Längeren schon scharf benachteiligt. Die meisten bestehenden Kreditverträge sind bei einem Wechselkurs von 150 bis 165 Forint je Franken aufgenommen worden.

Bei österreichischen Banken könnten geschätzte fünf Milliarden Euro Kreditvolumen betroffen sein. Die Erste Group, die in Ungarn nach der OTB das zweitgrößte Filialnetz unterhält, hat Franken-Kredite über drei Milliarden Euro vergeben. Bei der Raiffeisen Bank International sind es 1,6 Milliarden. Bei der UniCredit-Tochter Bank Austria 765 Millionen. Die Kurse von Erste und RBI sind seit Freitag unter Druck. (Thomas Mayer, Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.9.2011)