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Ein Mitarbeiter einer Spezialeinheit misst nach einer Explosion die radioaktive Strahlung außerhalb der Anlage Marcoule in Südfrankreich, wo Abfall aus Kernkraftwerken aufbereitet wird.
Der erste Schreck war groß, und in Paris reagierte die Börse umgehend mit einem neuen Taucher. Dann gab die Sicherheitsbehörde ASN Entwarnung: Der schwere Unfall in der Wiederaufbereitungsanlage Marcoule 30 Kilometer nördlich von Avignon habe keinen Austritt von Radioaktivität zur Folge, ließ sie um 16 Uhr verlauten.
Die Explosion in einem Ofen für schwach radioaktive Metallabfälle tötete kurz vor Mittag einen Angestellten. Vier weitere wurden nach ersten Angaben des Betreiberunternehmens Socodei verletzt und nach Montpellier in Spitalspflege gebracht. An den übrigen Angestellten sowie an den Verletzten wurde nach Angaben des französischen Innenministeriums keine erhöhte Radioaktivität gemessen.
Keine Quarantäne verfügt
Die Regierung in Paris ließ verlauten, sie habe für die Mitarbeiter auch keine Quarantäne verfügt. Die medizinische Betriebsverantwortliche der Werkstätte meinte jedoch am Telefon gegenüber Lokalmedien, alle Angestellten seien angehalten worden, das Gelände vorerst nicht zu verlassen. Eine solche Explosion habe es seit fünfzehn Jahren nicht mehr gegeben.
Die Explosion löste nach ersten Erkenntnissen einen Brand in dem Gebäude aus, in dem der Schmelzofen steht. Das Gebäude selbst wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Feuerwehr hatte den Brand nach etwas mehr als einer Stunde gelöscht. Die lokale Präfektur verzichtete auf Evakuierungsmaßnahmen.
Stillgelegte Reaktoren auf Gelände
Ein Sprecher des französischen Stromkonzerns Electricité de France (EdF), dessen Tochterunternehmen Socodei die Anlage in Marcoule betreibt, meinte, es handle sich um einen Industrie-, nicht einen Atomunfall. Das Gelände steht nicht auf der Liste jener französischen Atomanlagen, die Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Reaktorunglück von Fukushima überprüfen lässt. Die Atomsicherheitsbehörde ASN hat ihr seither ebenfalls keinen Besuch abgestattet.
Die Nuklearanlage Marcoule beherbergt mehrere kleine Reaktoren sowie einen Schnellen Brüter, die aber allesamt stillgelegt sind. Heute verarbeitet die Socodei dort atomare Abfälle. Das Endprodukt ist Mox, ein sehr instabiler Brennstoff aus Uran und Plutonium. Die Wiederaufbereitung und Vorbereitung zur Endlagerung in Marcoule geschieht im Auftrag des französischen Atomkonzerns Areva.
Frankreich hält an Atomenergie fest
Im explodierten Ofen wurden zuvor radioaktive Metallteile zerkleinert, um sie besser endlagern zu können. Francis Sorin von der französischen Gesellschaft für Nuklearenergie (SFEN) meinte auf dem Radiosender Europe 1, die chemischen Reaktionen im Ofen seien von "sehr geringer Intensität" , doch könne dies "genügen, um eine Explosion auszulösen" . Die Regierung in Paris kündigte eine Untersuchung an.
Sarkozy hatte nach dem japanischen Beben erklärt, sein Land halte an der Kernenergie fest. Seine Regierung stellte im Sommer eine Milliarde Euro zur Verfügung, um neue und laut Sarkozy sicherere nukleare Technologien zu entwickeln. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD; Printausgabe, 13.9.2011)