Ingrid Felipe würde sich mehr Informatonen über die geplante Schule in Rum wünschen.

Foto: Gruene

Vergangene Woche sorgte die Ablehnung einer Anfrage für ein türkisches Privatgymnasium in der Gemeinde Rum in Tirol für Aufregung. Die Grüne Gemeinderätin in Rum und Landessprecherin der Grünen Tirol, Ingrid Felipe, erklärt im Gespräch mit derStandard.at, warum sie die Entscheidung des Gemeindeausschusses begrüßt. Wer die Betreiber des Gymnasiums sind, weiß auch sie nicht. "Man kann erst über die Schule diskutieren, wenn man diese Informationen hat, Gerüchte zu schüren, ist bei diesem heiklen Thema sehr abträglich", sagt Felipe.

Die Gemeinderätin will 2013 als Spitzenkandidatin für die Tiroler Grünen antreten. Mit der Arbeit der Bundes-Grünen ist sie zufrieden. Felipe versteht die Kritik an der Genussfeindlichkeit der Partei. "Hier geht es um persönliche Betroffenheit. Wenn man jemandem etwas wegnehmen will, was er sein Laster oder seinen Genuss nennt, dann tut das natürlich weh und polarisiert", sagt sie.

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derStandard.at: Was halten Sie von dem türkischen Privatgymnasium, das in Rum hätte eröffnet werden sollen?

Felipe: Ich bin auf der Gemeinde gewesen, um mir ein paar Hintergrundinformationen zu holen. Die wesentlichste Information für mich war, dass der Ausschuss deshalb so entschieden hat, weil das vom Raumordnungskonzept her nicht vorgesehen ist. Das Gebäude, das umgewidmet hätte werden sollen, ist neben einer Bundesstraße und mitten im Gewerbegebiet. Da gibt es keine Grünflächen. Also das ist sicher kein geeigneter Platz für eine Schule, egal wer sie betreibt. Ob das jetzt eine öffentliche oder eine Privatschule ist. Deshalb kann ich die Entscheidung unterstützen, dass an dieser Stelle keine Schule errichtet werden soll.

derStandard.at: Der Bürgermeister hat in seinen Stellungnahmen gesagt, dass die Schule abgelehnt wurde, weil der Ausschuss gegen Privatschulen ist. Also war die offizielle Begründung eine andere?

Felipe: Es ist anscheinend aus der Presseaussendung der Gemeinde stärker hervorgegangen, dass es darum ging, keine Privatschule zu wollen. Man muss dazu den Hintergrund kennen. Die Gemeinde Rum versteht sich als Gemeinde, die sich in Fragen der Schulpolitik sehr engagiert. Wir möchten aus dem öffentlichen Auftrag heraus den Bedarf an Bildung decken und nicht ein Privatgymnasium. Es ist die Frage mitgeschwungen, ob das vielleicht daran liegt, dass das ein türkisches Privatgymnasium sein soll, aber die Gemeinde will auch keine katholische Privatschule.

derStandard.at: Diese Argumentation halten Sie auch für glaubwürdig?

Felipe: Ja, das halte ich definitiv für glaubwürdig. Ich bin selbst im Schulausschuss und da hätte diese Thematik eigentlich diskutiert gehört und nicht im Infrastrukturausschuss. Ich weiß wie wichtig unseren Gemeinderäten und -rätinnen ist, dass die schulische Verantwortung in der öffentlichen Hand bleibt. Es ist aber schon bemerkenswert und ich sehe es als Hilferuf, wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, dass unser Bildungssystem unzureichend ist und man Privatschulen errichten möchte. Da muss man sich auch als politische Person überlegen, was in der österreichischen Bildungspolitik falsch läuft, wenn dieses Bedürfnis entsteht. Egal welchen Hintergrund diese Menschen haben.

Die Debatte wird aber noch im Gemeinderat zu führen sein. Die Gemeinderatsentscheidung ist noch nicht getroffen worden. Vom Infrastrukturausschuss ist diese Anfrage mit nein beantwortet worden. Bisher war es nur eine Anfrage, kein Antrag - das ist medial alles ein bisschen heißer gekocht worden.

derStandard.at: Wie stehen Sie generell zu der Errichtung eines türkischen Privatgymnasiums?

Felipe: Die Frage kann man auf die Schnelle nicht beantworten. Man muss sich bei jeder Schule anschauen, welches Konzept dahinter steht, welche Überlegung dahinter stehen und wie inklusiv so eine Schule sein kann. Wir Grüne wünschen uns inklusiven Schulen, wo Kinder mit unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichsten Fähigkeiten und Hintergründen und familiären Strukturen gemeinsam lernen. Das schafft einen sozialen Ausgleich. Wenn das eine Privatschule als Vorzeigebeispiel macht, wie das beispielsweise Montessori- oder Waldorfschulen machen, dann kann ich mir das gut vorstellen. Ich bin aber keine Bildungsexpertin und würde mir wünschen, dass Leute, die so eine Schule gründen wollen, ein Konzept dem zuständigen Bildungsministerium vorlegen. Die können einschätzen, ob das etwas Gescheites ist, oder eine Schule, die Kinder ausschließt. Etwas Exklusives nur für Angehörige einer Religionsgruppe würde ich nicht gut finden. Das sehe ich aber im katholischen Kontext genauso. Die Information vom Amtsleiter der Gemeinde war auch, dass das pädagogische Konzept für die Schule noch nicht sehr ausgereift war. Die Prüfung liegt aber nicht in der Kompetenz der Gemeinde, sondern beim Bildungsministerium.

derStandard.at: Kennen Sie die Personen, die das Gymnasium eröffnen wollen?

Felipe: Der Amtsleiter hat zu mir gesagt, dass das Unternehmer sind. Ich habe ihn auch gefragt, wie das organisiert werden soll, weil fünf Privatpersonen keine Schule gründen können. Er hat gesagt, dass es dazu keine Hintergründe gibt. Das war in der Anfrage nicht enthalten. Man kann erst über die Schule diskutieren, wenn man diese Informationen hat, Gerüchte zu schüren, ist bei diesem heiklen Thema sehr abträglich. Es wäre schade, wenn das ein ambitioniertes Modell ist und es daran scheitert, dass man anfänglich mit nicht ausreichenden Informationen darüber entschieden hat.

derStandard.at: Können Sie das große Aufsehen, das um diese Schule gemacht wird, nachvollziehen?

Felipe: Ich kann das nachvollziehen, ja. Das ist ein sehr sensibles Thema auf unterschiedlichen Ebenen. Es ist eine bildungspolitische Frage, hier haben wir momentan eine große Diskussion. Auch durch das Bildungsvolksbegehren. Da gibt es eine große Unzufriedenheit von vielen ÖsterreicherInnen. Dass die Diskussion um die Bemühungen türkischstämmiger Menschen in Österreich vor allem von rechten Gemütern missbraucht wird, das ist auch klar.

Ich bin selbst Mama und mein Sohn ist jetzt in der zweiten Klasse Volksschule. Meine Erfahrung ist, wenn es um die Bildung der Kinder geht, dann geht den Eltern einfach das Herz auf, das betrifft viele Menschen ganz persönlich. Dann gibt es Emotionen und heiße Diskussionen. Gepaart mit den Vorurteilen gegenüber türkischen-stämmigen MitbürgerInnen wird das aber eine sehr einseitige Diskussion.

derStandard.at: 2013 wird in Tirol wieder gewählt. Man hört, dass sie Spitzenkandidatin werden sollen. Stimmt das?

Felipe: Das wird im Frühjahr 2012 entschieden. Aber ich habe in den letzten Monaten darüber nachgedacht und ich will gerne Spitzenkandidatin werden, wenn mir unsere Mitglieder ihr Vertrauen schenken. Ich mache das sehr gerne, wenn ich gewählt werde.

derStandard.at: Die Grünen sind europaweit im Aufwind, nur in Österreich kommen sie nicht recht vom Fleck. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Felipe: Nicht recht vom Fleck würde ich nicht sagen. In den vergangenen Monaten ist einiges passiert. Wir haben noch etwas aufzuholen, wenn man uns mit unseren deutschen Kolleginnen und Kollegen vergleicht. Aber ich hab massiv das Gefühl, das sich bei uns sehr viel tut. Gerade in Innsbruck haben wir erstmalig die Chance die stärkste Fraktion im Gemeinderat bei der Wahl 2012 zu werden. Ich spüre uns im Aufwind. Wenn man sich den Zustand unserer Gesellschaft anschaut, sieht man, dass es grüne Konzepte braucht. Grüne Ideen sind mittlerweile sehr salonfähig und werden von sehr vielen Parteien vorangetrieben. Ich glaube, da müssen wir einfach weitermachen und Ideen und Visionen aufs Tapet bringen, damit die grüne Politik auch umgesetzt wird und nicht ein Lippenbekenntnis bleibt.

derStandard.at: Ist das nicht gerade das Problem für die Grünen, dass so viele andere Parteien die Themen auch aufnehmen?

Felipe: Das ist überhaupt kein Problem, das ist doch erfreulich! Ich finde das großartig, weil das teilweise Dinge sind, wir schon seit 25 Jahren einfordern. Früher hat man gesagt, diese birkenstocktragenden Alternativen, was wollen denn die? Mittlerweile sind diese Forderungen Mainstream. Jetzt gibt es neue Themen, die man thematisieren und bewältigen muss, zum Beispiel in der Wirtschaftspolitik. Aus rein parteipolitischer Räson könnte man natürlich sagen: "Wir haben es schon immer gewusst und ihr nicht". Aber aus der großen politischen Perspektive finde ich es sehr erfreulich, wenn unsere Ideen auch in anderen politischen Parteien Fuß fassen, das gibt mir Hoffnung für die Veränderung unserer Gesellschaft.

derStandard.at: Sind Sie mit der Arbeit von Parteichefin Glawischnig zufrieden?

Felipe: Ja. Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit von Eva. Ich schätze sie sehr. Sie macht einen ausgezeichneten Job und bringt uns gut voran. In diesen schwierigen Zeiten es ist nicht immer leicht, Haltung zu bewahren. In unserer Medienlandschaft wird man sehr schnell abgewatscht, wenn man etwas sagt, was nicht so opportun ist. Es ist nicht leicht, da auf Linie zu bleiben und ich finde das macht sie sehr stark.

derStandard.at: Sprechen Sie da jetzt die Themen Verkehr und Nichtraucherschutz an?

Felipe: Unter anderem, ja. Aber man kann auch größere Themen nennen, wie die Anti-Korruptionsgeschichte. Da ist von unserer Bundespartei ganz viel Vorarbeit geleistet worden. Peter Pilz und Gabi Moser haben sehr viel geleistet, obwohl sie sehr vielen Anfeindungen ausgesetzt waren. Sie wurden als Vernaderer und Schlechtmacherinnen bezeichnet. Da dran zu bleiben und sich nicht zu beugen, wenn der Gegenwind kommt, finde ich sehr stark. In der Politik kann man es nicht immer alle Menschen hundertprozentig recht machen. Es geht um Ausgleich von Interessen. Da muss man manchmal auch etwas weniger populäre und populistische Themen diskutieren und anpacken. Damit die Gesellschaft weiterkommt.

derStandard.at: Verstehen Sie die Kritik gegenüber den Grünen, die derzeit auch von den eigenen Anhängern kommt, dass sie genussfeindlich sind? Etwa beim Thema Verbot von Zigarettenautomaten.

Felipe: Einfach beantwortet: ja. Hier geht es um persönliche Betroffenheit. Wenn man jemandem etwas einschränken will, was er/sie sein/ihr Laster oder seinen/ihren Genuss nennt, dann tut das natürlich weh und polarisiert. Den Hintergrund der Geschichte, dass man Kinder vor Zigarettenmissbrauch schützen möchte, weil man in Österreich einfach sehr leicht an Zigaretten kommt, finde ich vernünftig. Das ist ein Thema, das unter die Haut geht und das emotionalisiert.

derStandard.at: Sie haben schon gesagt, dass Sie in den Tiroler Landtag wollen. Ist Ihr Ziel der Nationalrat?

Felipe: Da fragen Sie mich jetzt viel. Ehrlich gesagt habe ich über das noch nicht nachgedacht. Ich bin Alleinerziehende und könnte jetzt nicht nach Wien pendeln, weil ich meine familiären Unterstützungsstrukturen brauche. Meine derzeitige Perspektive ist, dass ich Spitzenkandidatin in der Landespartei werden will. Dort möchte ich Erfahrung sammeln und dann schauen wir weiter, wohin mein Weg führen mag. (Lisa Aigner, derStandard.at, 13.9.2011)