
Sie war Obamas Frau fürs Große:Kristina Johnson, ehemalige US-Staatssekretärin für Energie, plädiert für zusätzliche Steuern, um den Umstieg auf saubere Energie zu finanzieren.
Barack Obama holte sie an Bord, um ein hochgegriffenes Ziel zu verfolgen: Die Umstellung der US-Wirtschaft auf erneuerbare Energieträger - ein Projekt, das der US-Präsident als ökologisches Apollo-Programm bezeichnet hat. Kristina Johnson, eine der erfolgreichsten US-Forscherinnen in den technischen Wissenschaften, war 2009 und 2010 Staatssekretärin für Energie in Obamas Administration. Ende August war sie auf Einladung des Austrian Institute of Technology (AIT) im Wiener Techgate in Wien.
"Eigentlich haben wir keine Energiekrise, sondern eine Klimakrise, die durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe verursacht wurde", sagt Kristina Johnson im Gespräch mit dem Standard. Das Problem ist kein Neues: "Das Sonnenlicht ist eine Form der Energie, Wind und Gezeiten sind es ebenfalls. Aber nutzen wir sie? Nein, wir verbrennen Holz und Kohle - so als ob die Mieter eines Hauses ihren Gartenzaun verbrennen würden, um einzuheizen. Wir leben wie Hausbesetzer, nicht wie Hausbesitzer." Der Satz ist mehr als 100 Jahre alt und stammt von Thomas Edison. Man ersetze den Begriff "Holz" durch "Öl und Erdgas", dann trifft die Diagnose immer noch zu.
Die Lösung dieses Dilemmas hat Kristina Johnson im Laufe ihrer Amtszeit am US-Energieministerium auf nationaler Ebene errechnet und in einen politischen Fahrplan übersetzt. Dessen Ziel: eine "grüne Ökonomie für die USA", effiziente Energienutzung und eine Abkoppelung des Stromverbrauchs vom Kohlendioxidausstoß. "Momentan erzeugen die USA 70 Prozent ihres Stroms durch fossile Energieträger, 30 Prozent durch erneuerbare Energieträger. Dieses Verhältnis müssen wir umdrehen. Und wir müssen Treibstoffe durch Biogas und Biosprit ersetzen." So lautet zumindest der Plan.
Ein Caffè Latte pro Woche
Die USA stellen fünf Prozent der Weltbevölkerung und verbrauchen zurzeit 25 Prozent des globalen Energiebudgets. Um den größten Energiekonsumenten der Welt auf eine saubere Energiewirtschaft umzustellen, bräuchte es laut Johnsons Berechnungen eine bis anderthalb Billionen US-Dollar. "Diesen Betrag könnten wir etwa finanzieren, wenn wir 25 Cent zusätzliche Steuern pro Gallone Benzin einheben würden - 25 Jahre lang. Das ist nicht mehr als ein Caffè Latte um 3,60 Dollar pro Woche."
So weit die wissenschaftliche Diagnose. Ob die politischen EntscheidungsträgerInnen diese Strategie tatsächlich verfolgen, wird sich zeigen. Bis dato hat Obama mangels Zustimmung im Senat noch kein nationales Gesetz beschlossen. Nun hofft man auf die zweite Amtsperiode - so Obama die nächsten Wahlen gewinnt.
Als Staatssekretärin im US-Energieministerium habe sie von sechs Uhr morgens bis Mitternacht gearbeitet, erzählt die Sportlerin, die in ihrer Studienzeit beinahe für das olympische Hockey-Team ausgewählt wurde. Am Wochenende war dann Home-Office angesagt. War das der Grund dafür, dass sie im November 2010 nach 20 Monaten aus ihrer Funktion ausgeschieden ist? "Keineswegs, ich arbeite gern. In den USA werden hohe politische Positionen durchschnittlich alle 18 Monate neu besetzt. Einer der Gründe ist: Die meisten Budgets werden ganz zu Beginn der Legislaturperiode gemacht. Nachdem wir das geschafft hatten, kam ich zu dem Schluss, dass ich in der Privatwirtschaft mehr für die Umwelt bewirken könne."
Umwelt- und Energiethemen standen in der Karriere von Johnson zunächst nicht an vorderster Stelle. Am Beginn ihres Studiums an der Stanford University interessierte sie sich für DNA und Biochemie. Als ihr Vater an Krebs starb, sattelte sie jedoch auf Elektrotechnik um - als Reverenz: Ihr Vater und ihr Großvater waren schon Elektrotechniker gewesen. Sie lehrte an der Universität von Colorado in Boulder, wo sie ein Forschungszentrum für Optoelektronik gründete. Danach hatte sie leitende Positionen an der Duke und der Johns Hopkins University inne und gründete eine Reihe erfolgreicher Firmen.
Im Jahr 2008 erhielt sie als erste Frau die John-Fritz-Medaille, die höchste amerikanische Auszeichnung der technischen Wissenschaften. 129 nationale und internationale Patente hält Johnson, sie reichen von optischen Screeningmethoden für Krebsgewebe bis hin zur Unterhaltungstechnologie.
3-D-Brille und Frauendebatte
"Wir haben die 3-D-Brillen entwickelt. Bei 3-D-Filmen werden auf der Kinoleinwand zwei Bilder gezeigt. Werden sie nicht sauber getrennt, passiert ein Effekt, den wir Ghosting nennen. Kurz gesagt: Es sieht nicht gut aus. Die von uns entwickelten Gläser lösen das Problem. Die Firma, die wir damals gegründet haben, haben wir später an Hollywood verkauft."
Ein weiterer zentraler Punkt in Johnsons intellektuellem Portfolio ist die Rolle von Frauen in Wirtschaft und Wissenschaft. Als Universitätsdekanin initiierte sie Ausbildungs- und Förderprogramme just zu einer Zeit, als der ehemalige Harvard-Präsident Lawrence Summers eine umstrittene Rede über Frauen in Naturwissenschaften und Technik hielt - und sie darin als nur bedingt geeignet für diese Fächer bezeichnet hatte.
Auf die Begabungsdebatte lässt sich Johnson nicht ein. Darüber sei alles gesagt, im Gegensatz zum sozialen Aspekt. "Seit Larry und ich die Schule besucht haben, hat sich einiges geändert. Larry hat in seiner Rede gesagt: Frauen wollen keine 80 Stunden pro Woche arbeiten. Möglich, aber auch die meisten Männer wollen das nicht mehr. Heute sind eben Männer und Frauen karriereorientiert und wollen dennoch für die Familie da sein. Der entscheidende Punkt ist: Die Feststellung Larrys trifft auf beide Geschlechter zu. Das ist etwas, was ich in der ganzen Debatte über seine Rede vermisst habe."
Seit Jänner 2011 ist Johnson wieder in der Wirtschaft tätig - unter anderem in der Energiebranche. (Robert Czepel/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.9.2011)