Drohendes Burnout, vakante Stellen: Die Zeit für den Patienten werde immer weniger, beklagen die Personalvertreter im Wiener Krankenanstaltenverbund.

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Wien - Es soll ein Auftritt sein, an dem die Stadtregierung nicht vorbeikommt. Rund 700 Mitarbeiter des Krankenanstaltenverbundes (KAV) sollen am Mittwochabend rund um das Wiener Rathaus demonstrieren, gleichzeitig startet die Personalvertretung der Gemeindebediensteten eine Kampagne "für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem", auf einer eigenen Website (www.gesundheitskampagne.at) wird sogar ein Countdown heruntergezählt.

Angebliche Sparmaßnahmen bringen die Gewerkschafter auf die Straße: Zwar würden keine Dienstposten gestrichen, Nachbesetzungen dauern aber deutlich länger als früher - bis zu einem halben oder Dreivierteljahr, sagt Bernhard Harreither, Vorsitzender der Hauptgruppe II der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG). Mit rund 30.000 Personen ist der KAV der größte städtische Arbeitgeber, 1200 Posten seien derzeit vakant, sagt Harreither. Die Folge: Der Arbeitsdruck und die Burnout-Gefahr steige, die Zeit für Patienten werde weniger.

Am Montagabend platzte eine Verhandlungsrunde im Rathaus, bei der auch Bürgermeister Michael Häupl (SP) dabei war. "Er hat uns gesagt, dass er das Geld nicht hat, um die Dienstposten zu besetzen", sagte Harreither am Dienstag dem STANDARD. In Häupls Büro bestätigt man dies auf Anfrage: "Die Forderung der Gewerkschaft nach mehr Geld ist nicht erfüllbar", erklärt ein Sprecher des Bürgermeisters und verweist darauf, dass Wien im Vergleich zu anderen Bundesländern eine deutlich höhere Zahl von Ärzten und Pflegern pro Patienten hat. Laut einer Erhebung des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2009 kommen auf 100 Betten österreichweit 238 Krankenhausmitarbeiter, in Wien sind es 306. Bei den Ärzten liegt die Bundeshauptstadt mit 51 ebenso über dem Durchschnitt (39) wie beim diplomierten Pflegepersonal (111/88).

Warum die Gewerkschafter mobil machen, dazu hat man im Rathaus eine eigene Theorie: Es gehe um Mitgliederakquirierung und eine Neupositionierung. Harreither kennt dieses Gerücht, er nennt es den "Versuch einer Verharmlosung" durch die Stadtregierung.

"Effizienz erzeugen"

KAV-Generaldirektor Wilhelm Marhold hat "kein Problem damit, dass sich die Gewerkschaft verstärkt artikuliert", bei Budgetknappheit würden schließlich die "Verteilungskämpfe immer härter". Dennoch investiere die Stadt pro Jahr 235 Millionen Euro in den KAV, und in der Krise habe kein Gemeindebediensteter seinen Job verloren. Die Kampagne, die auch die Arbeitsbedingungen im KAV bemängelt, ist für Marhold "inhaltlich falsch" und führe zur Verunsicherung. Dass Posten länger unbesetzt bleiben, bestreitet er nicht; das Management müsse "alle Möglichkeiten prüfen, um Effizienz zu erzeugen".

Verhandlungsbereitschaft signalisieren sowohl das Bürgermeisterbüro als auch der KAV. Wie es nach der Demo weitergeht, wollte Harreither am Dienstag noch nicht sagen - nur so viel: Streiks werde es keine geben, die Kampagne solle schließlich nicht zulasten der Patienten gehen. (Andrea Heigl, STANDARD-Printausgabe, 14.9.2011)