Bild nicht mehr verfügbar.
Leder & Schuh steigt mit dem Zukauf einigen auf die Zehen.
Wien - Johann Neuner hat mit großen Konzernen schon manch Fehde vor Gericht ausgetragen. Immer wieder sieht er kleine Betriebe unter ihre Räder kommen, das zeigten alleine die zahlreichen Schließungen im Einzelhandel. Die Verantwortlichen dieser Entwicklung sucht der Wirtschaftsprüfer jüngst auch bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Diese nämlich habe den Kauf von Stiefelkönig durch Leder & Schuh durchgewinkt - ohne auf die Realität Rücksicht zu nehmen. Die da aus seiner Sicht wäre: rund 40 Prozent gemeinsamer Marktanteil in Städten wie Klagenfurt.
Ab 30 Prozent liegt für den Gesetzgeber der Verdacht auf Marktbeherrschung nahe. Die Kartellbehörde sieht die zwei Schuhketten höchstens 20 Prozent erreichen.
Er habe klar vorgerechnet, dass sie ihre Entscheidung auf der Basis falscher Zahlen getroffen habe, sagt der Kärntner, dessen Familie einst Schuhe fertigte und der selber noch ein kleines Geschäft betreibt. Die Marktkonzentration im Lebensmittelhandel und im Energiesektor sei im Vergleich zu jener der Schuhbranche "ein Lercherl". Seine schriftliche Beschwerde ha- be man ignoriert. Ohne eine einzige Auflage sei der Deal in kürzester Zeit genehmigt worden. "Da zieht es einem die Patschen aus. "
Es gehe ihm um keinen persönlichen Vorteil, sondern um die Sache. Für ihn erübrige sich der Sinn einer Wettbewerbsbehörde, angesichts dieser nicht nachvollziehbaren Entscheidung. Stimme es, dass die neue Schuhgruppe nicht mehr als 20 Prozent Marktanteil habe, verschenke er sein Geschäft.
Unmut über das Zusammengehen der zwei Ketten ist hinter den Kulissen auch aus der Industrie zu hören. Öffentliche Beschwerden ihrer Lieferanten halten sich aus Sorge, den großen Kunden zu vergrämen, in Grenzen.
Bei der Kartellbehörde spricht man auf Standard-Anfrage von einer rechtskräftigen Entscheidung. "Wir haben den Fall über Gebühr geprüft, wir schützen den Wettbewerb, nicht die Wettbewerber", erläutert ein Sprecher. Auf die Länder hochgerechnet, sei der Marktanteil gering. Zumal im österreichischen Schuhhandel auch Onlineanbieter und der Vertrieb über branchenfremde Unternehmen ei- ne entscheidende Rolle spielten.
In einzelnen Städten hielten Leder & Schuh mit ihren Marken von Humanic über Jello bis Shoe4You und Stiefelkönig sicher mehr als ein Fünftel des Marktes, sind sich Experten einig. Ganz anders sehe es aber aus, beziehe man das relevante Einzugsgebiet mit ein.
Leder & Schuh prüft derzeit die 54 erworbenen Stiefelkönig-Filialen. Ein erklecklicher Teil soll abgegeben werden - Gespräche dazu gibt es auch mit branchenfremden Händlern, ist aus dem Konzern zu vernehmen. Dass es dabei nur um verlustreiche Shops gehe, wird intern scharf zurückgewiesen: Das ganze sei keine Alibiaktion.
Nehme er die Läden, die ihm angeboten wurden, könne er gleich zum Konkursrichter gehen, seufzt Neuner. Für Konsumenten werde der österreichische Handel künftig noch mehr zum "Einheitstopf". (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.9.2011)