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Bei einem übergriffigen Fahrlehrer nützt auch der Sicherheitsgurt nichts. Susanne B. wandte sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft.
Die 17-jährige Susanne B. möchte Autofahren lernen. Während ihrer ersten Übungsfahrt wird sie von einem verbalen und schließlich auch körperlich übergriffigen Fahrlehrer belästigt. Er zieht Parallelen "zum ersten Mal" und nachdem er die Fahrschülerin am Nacken und am Oberschenkel berührt, meint er der jungen Frau, die nach der Fahrstunde aus dem Auto stürmt, noch ein "sei nicht so hysterisch" hinterherrufen zu müssen. Dass das kein Einzelfall ist, wissen die Mitarbeiterinnen der Gleichbehandlungsanwaltschaft nur zu gut. Sie beraten Menschen in Fragen über mögliche Diskriminierungen, helfen dabei, Fälle einzuordnen, erklären das Gleichbehandlungsgesetz oder geben Empfehlungen über das weitere Vorgehen ab.
Aus 338 wurden 4834
2010 verzeichnete die Gleichbehandlungsanwaltschaft 4834 Anfragen von Menschen, die womöglich Opfer von Diskriminierung geworden sind. Diese Woche feierte die Gleichbehandlungsanwaltschaft ihr zwanzigjähriges Bestehen und der Beratungsbedarf ist nicht geringer geworfen. Aus den vielen Anfragen und Fällen werden seit 2010 Beispiele auf der Website angeführt, der "Fall des Monats". "Die meisten Anfragen betreffen jenen Teil des Gleichbehandlungsgesetzes, der die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt regelt", so die zuständige Anwältin Sandra Konstatzky gegenüber dieStandard.at.
Seit 2008 ist auch der Zugang zu Gütern und Dienstleitungen unter Diskriminierungsschutz gestellt, ein Umstand, der bisher vor allem Männer zur Gleichbehandlungsanwaltschaft trieb. "Billigere Tickets in Fußballstadien oder freie Eintritte in Clubs sind am häufigsten Gegenstand von Beschwerden von Männern." Bei dieser Novelle ging es aber nicht nur um unterschiedliche Preise, sondern auch um sexuelle Belästigung. Konstatzky hierzu: "Es ist schade, wenn dieser wichtige Teil der Novelle neben den Preis-, Gratis- und Ermäßigungsdebatten untergeht. Aber natürlich sind auch unterschiedliche Preise bei Eintritten, um sich Frauen zum anzuschauen anzulocken, ein unglaublicher Sexismus."
Anwaltschaft berät, die Kommission bestätigt
Im Beispielfall der Monats August wurde erstmalig ein Fall von sexueller Belästigung bei der Inanspruchnahme von Gütern oder Dienstleistungen von der Gleichstellungskommission bestätigt. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat die Aufgabe, Empfehlungen dahingehend abzugeben, ob ein Fall vor die Kommission sollte oder nicht. "Die Anfragen wegen sexueller Belästigung außerhalb des Arbeitsbereiches sind noch gering, " so Konstatzky. Sie freut sich, dass Susanne B. den Weg zur Gleichbehandlungsanwaltschaft gefunden hat und hofft, dass die Beratungen über sexuelle Belästigung außerhalb des Arbeitsbereiches künftig öfters in Anspruch genommen werden. "Susanne B. hat hier zum Beispiel optimal reagiert".
Wenngleich einige Zeit verging. Susanne B. hat sich gemeinsam mit ihrer Mutter erst zehn Monate nach den Vorfällen an die Fahrschule gewandt und im Zuge dessen erfahren, dass sie nicht das erste Belästigungsopfer des betreffenden Fahrlehrers war. Dennoch blieb der Geschäftsführer der Fahrschule bei seiner Erklärung: Das Ganze sei ein "Missverständnis". Nachdem ihre Forderung, die Kursgebühren zurückzubekommen, von der Fahrschule abgelehnt wurde und Frau B. ein Schreiben des Rechtsbeistandes des Fahrlehrers erhielt, in dem rechtliche Schritte bei jeder weiteren Behauptung der sexuellen Belästigung angekündigt wurden, wandte sie sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Diese brachte wiederum ein Verlangen bei der Gleichbehandlungskommission ein, deren Einschätzung lautete: Der Vorwurf der verbalen und sexuellen Belästigung konnte glaubhaft gemacht werden, eine Rolle spielte auch die Tatsache, dass der betreffende Fahrlehrer nicht zum ersten Mal mit einer Beschwerde über unangemessenes Verhaltens konfrontiert wurde, heißt es im Fallbericht. Die Kommission konnte somit Susanne B. darin bestätigen, dass sie Opfer von Diskriminierung bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung wurde. "Schadensersatzzahlungen müssen aber natürlich vor Gericht eingeklagt werden", erklärt Konstatzky.
Anfragen zu zweifelhaften Kündigungen
Das Groß der 2010 eingegangen Anfragen betrifft sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, an zweiter Stelle stehen Entgelt-Fragen. Zum Anstieg der Anfragen seit der Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft im Jahre 1991 - von 338 auf 4834 - meint Konstatzky: "Mittlerweile machen sich immer mehr Frauen schlau, eine Entwicklung des Bewusstseins gegenüber sexueller Belästigung oder auch gegenüber Diskriminierung beim Entgelt ist schon zu spüren". Eine weitere Tendenz sei, dass sich seit der Wirtschaftskrise Anfragen von schwangeren Frauen häufen, deren "Beschäftigungsverhältnisse in Probemonaten relativ ungeniert gelöst wurden." Auch Anfragen über mögliche Kündigungen aufgrund von Alter oder Geschlecht und von Berufswiedereinsteigerinnen, die schlechtere Positionen oder Arbeitsbedingungen nach ihrer Rückkehr aus der Karenz vorfinden mussten, nahmen zu.
Die Arbeit der Anwaltschaft ist somit auch nach zwanzig Jahren noch nicht getan, zumal Diskriminierungen aufgrund von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörig, Religion oder sexueller Orientierung noch immer zu oft erfolgreich mit "sei nicht so hysterisch" beiseite geschoben werden. (dieStandard.at, 14. September 2011)