Wien - Sie sind geheimnisumwoben, um sie ranken sich Mythen und Gerüchte: Der Journalist Wolfgang Freitag hat sich auf einen Streifzug zu den "Schattenorten" Wiens begeben - also jene verborgenen Stätten, die man zwar kennt und über die man spricht, wo aber niemand so recht weiß, was dort wirklich geschieht. 14 Orte und Institutionen sah er sich genauer an - vom Narrenturm über die Wagenburg Lobau bis hin zu einem Polizeianhaltezentrum. Seine Eindrücke hat er schriftlich und fotografisch in einem Buch festgehalten: "Zu den Schattenorten von Wien" wird am Mittwoch um 18.30 Uhr im Wien Museum am Karlsplatz präsentiert.

Das Buch sei ein Dokument, schreibt Freitag im Vorwort seines 158-seitigen Werkes - und zwar als Dokument einer Reise: "Zu Orten, an die wir delegieren, was uns in unserem Wohlbehagen stört, was uns peinlich, lästig unangenehm ist: Armut, körperlicher Verfall, Verzweiflung, Gewalt. Zu Orten, die gleichermaßen letzte Zuflucht sein können: vor Schlägen, vor Hass oder auch den Unbilden einer Lebensweise, die als menschenunwürdig erlebt wird." An diesen Orten sammle sich alles, was aus dem Alltag geschoben worden sei: "Vom Mist, den wir fortwährend produzieren, über den Gedanken an unser unvermeidliches Ende bis hin zu jenen Teilen unserer Geschichte, die nicht zur Selbstberühmung taugen."

Hinter verschlossene Türen

Freitag durfte Orte kennenlernen und Institutionen betreten, deren Türen normalerweise für die breite Öffentlichkeit verschlossen bleiben: So besuchte er zum Beispiel das Polizeianhaltezentrum Hernals. Der Autor konnte sich dort über die Situation der Schubhäftlinge informieren, die dort lieber "Insassen" genannt werden. Er lernte auch die unterschiedlichen "Komfortkategorien" des Hauses kennen - nämlich Einzelzellen, geschlossene Gemeinschaftszellen und das - seinen Angaben zufolge - "Premium-Produkt": Offene Gemeinschaftszellen mit Wutzler-Zugang, Gemeinschaftsraum und Spazierhof.

Weiterer Stationen der Reise: Der Narrenturm, in dem sich nun das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum befindet, das Pathologische Institut Donauspital, die Werkstätten von "Wien Work", in denen Menschen mit Behinderung beschäftigt sind, oder das Krematorium. In Augenschein nahm er auch die Müllverbrennungsanlage in Simmering, das Rinterzelt, die Mülldeponie Rautenweg, das Integrationshaus in der Engerthstraße, den Flakturm Arenberg, sowie die Notschlafstelle Vinzirast in Meidling.

Zudem begab Freitag sich zur Wagenburg Lobau, wo eine Gruppe Menschen inmitten der Natur in ehemaligen Bau- und Zirkuswägen wohnt, oder zum Flüchtlingsdorf "Macondo" in Simmering. Einlass erhielt er außerdem in einem Frauenhaus - ein Ort, an dem Männer normalerweise keinen Zutritt haben. (APA)