Es ist völlig unverständlich, dass niemand neuer Chef der Wiener ÖVP werden will. Zwar ist die Partei wirklich am Boden, wenn der einst erfolgreiche Parteiobmann Erhard Busek sogar von Auflösung und Neugründung spricht.

Aber für einen kreativen politischen Unternehmer – und ich meine das nicht im korrupten, sondern im positiven Sinn, also ein Politiker/in, der/die mitgestalten will und dabei auch persönlichen Erfolg anstrebt – ist die Führung der Wiener ÖVP eine Riesenchance.

Die Partei ist tatsächlich ein Sanierungsfall; aber wo man kann mehr erreichen in der Wirtschaftswelt genauso wie in der Politik als bei erfolgreichen Sanierungen. In der Sprache der Investoren ist die Partei ein Schnäppchen, das man nicht links liegen lassen sollte.

Denken wir es einmal durch: Hier ist eine Partei mit einem theoretischen Marktpotential von 35 Prozent (das war Erhard Buseks bestes Ergebnis 1983),  die derzeit nicht einmal die Hälfte ausschöpft.

Gleichzeitig hat sie eine ausgezeichnete Marktposition: Sie ist die einzige seriöse Oppositionspartei in einer Stadt, die von einer neuartigen Koalition mit viel Konfliktpotenzial.

Ein neuer Parteichef müsste eigentlich nur eine normale Oppositionspolitik machen, Rot-Grün heftig kritisieren, Probleme und Fehler aufzeigen – und schon könnte er in Umfragen und bei den nächsten Wahlen im Jahr 2015 die Ernte einfahren.

Schlechter als 14 Prozent wie bei den Landtagswahlen 2014 kann es eigentlich nicht werden, nach oben hin aber ist viel Platz.

Nun muss ein neuer Chef die zerstrittene Partei einen und die Bezirks- und Bündekaiser zur Zusammenarbeit zu bringen. Aber auch das ist keine ungewöhnliche Herausforderung. Jeder Manager mit Teambildungsfähigkeiten könnte hier Erfolg haben.

Schon mit einem Stimmanteil von 20 Prozent bei den nächsten Wahlen wäre der neue Chef der erfolgreichste Obmann seit Busek – Johannes Hahn erreichte 2005 nur 18,8 Prozent – und würde als Wunderwuzzi gefeiert werden. Eine Beteiligung an der Stadtregierung mit Einflussmöglichkeiten wäre wahrscheinlich, aber auch ein Ministeramt oder andere Würden wären in Reichweite.

Und warum soll es nicht möglich sein, dass die ÖVP in Wien nicht eines Tages den Bürgermeister stellt? Unvorstellbar, heißt es, aber in den deutschen Großstädten Berlin, Hamburg und München sind die SPD-Mehrheiten auch einst verloren gegangen, wenn die Regierungspartei abgewirtschaftet hat.

Der typische Wiener ist schon lange kein treuer Stammwähler mehr. Er wählt gerne FPÖ oder geht gar nicht zur Urne. Und er könnte auch einmal ÖVP wählen, wenn das Angebot stimmt.