Im Wiener Konsulat ist das Fotografieren verboten. Diese Aufnahme stammt der Anmeldestelle an der Universität in Kunming.

Foto: An Yan

Die ausländischen StudentInnen sind hier ähnlich ratlos wie die Reisenden in Wien: rote Köpfe und hektisches Gekritzel.

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Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Laotse, der wohl am öftesten zitierte chinesische Nationalphilosoph, hat sicher selbst mit chinesischen Behörden zu tun gehabt, als er diese pragmatischen Durchhalteworte schrieb. Um in die Volksrepublik China einreisen zu dürfen, braucht man - wie für viele andere Ländern auch - ein sogenanntes Vorab-Visum. Das klingt alles ganz einfach und vernünftig, aber schon beim Besuch des Internetauftritts des chinesischen Konsulates beginnt die Überforderung. Die Seite ist so aufgestellt, dass ich mittlerweile sicher bin: Da muss ein Plan dahinterstecken. Nach umständlichen Suchen erfährt man die Adresse der Visastelle, doch über das Ausfüllen der teilweise kryptischen Felder ("Adresse in China" - Wessen Adresse? Aber ich lebe doch noch gar nicht dort? Und woher soll ich sowas als Tourist wissen?) erfährt man nichts. So geht der ratlose Bürger mit Reisepass, Foto und dem geheimnisvollen Formular zum Konsulat.

Der Vorhof der Verzweiflung.

Schon beim Betreten der Visastelle im dritten Wiener Bezirk schlägt einem entweder der Lärm von hartnäckigem Verhandeln (die Chinesen) oder verzweifelte Resignation (alle Anderen) entgegen. Kaum einer der Anwesenden im Raum weiß, was in die vielen Felder eingegebenen muss. Das liegt nicht nur an den teilweise furchtbaren Übersetzungen der chinesischen Texte ins Deutsche. Dreiviertel der Antragsteller gehen brav zum Schalter, befragen die bis vor kurzem nur Chinesisch sprechenden Angestellten und werden nach mehr oder weniger heftigem Zurechtweisen zum Ausfüllen zurückgeschickt. Hier fehlt was, dort stimmt etwas nicht, das Foto ist zu klein, zu groß, klebt nicht richtig. Erklärt wird eigentlich nichts, bis auch der ruhigste Mensch resigniert. Dieses Mal ist es die Frau eines russischen Opernsängers, die das Handtuch wirft: "Woher soll ich das denn alles wissen? Ich verstehe die Fragen nicht und sie helfen mir nicht, obwohl ich haufenweise Einladungen aus Peking für mich und meinen Mann habe!"

Kreativität wird belohnt!

Durchschnittsreisende haben erst recht Schwierigkeiten: "Namen der einladenden Person" gibt es nicht, weil in der heutigen Zeit einfach niemand förmlich eingeladen wird, es sei denn zum Arbeiten oder von einer Universität. Und wehe, man hat tatsächlich eine Einladung: Dann stimmt wieder das Datum nicht oder der Name ist zu lang. Bei der Single-Choice-Frage "Vorhaben: Reisen - Freizeit - Freunde besuchen - Studieren" fühlt man sich in die Uni versetzt: Was macht man, wenn alles ein bisschen stimmt? Bei den letzten zwei Malen war ich auch ratlos, aber beim dritten Visum kennt man sich schon aus. Es gilt das Unwahrscheinlichste wegzulassen und möglichst alle freien Felder zu füllen; der Inhalt ist oft nebensächlich. So streiche ich die Antworten weg, die am wenigsten passen und lasse meiner Phantasie freien Lauf: Meine Adresse ist das Hilton Plaza in Shanghai, meine erfundene Freundin hat eine Telefonnummer, die nicht existiert. Nicht, dass jemand noch wegen mir Probleme bekommt. Mein Visum wird mir kommentarlos ausgestellt: Diesmal habe ich es richtig gemacht! (An Yan, 15. September 2011, daStandard.at)