
Entweder der Staat bringt mehr Leistung oder er gibt es billiger - das derzeitige System ist eher ein Auslaufmodell ist Christoph Bösch überzeugt.
Christoph Bösch ist ein Publizist, den die großen Fragen der Gegenwart umtreiben. Was ihn schon länger wurmt, ist das heimische Verhältniswahlrecht. Österreich ist eine der wenigen Demokratien mit striktem Parteienwahlrecht, eine Parteienoligarchie mit der höchsten Parteienfinanzierung der Welt, sagt er: "Das führt zu Patt und Proporz, Klubzwang und Politikverdrossenheit." Die Folge: Die Menschen hätten kein Vertrauen mehr in ihre politische Führungsriege. Weil Bösch aber auch ein Mann mit Visionen ist, will er etwas dagegen tun. Das Ziel: Mehr direkte Demokratie nach dem Vorbild Schweiz. Mehr Mitspracherecht auch über die Ausgabe und Einhebung von Steuermitteln, denn die Leute sagen sich: "Warum soll ich in ein Fass ohne Boden etwas einzahlen?".
Was Bösch ebenfalls nicht unberührt lässt, ist folgerichtig die Diskussion um die Schuldenkrise. Als Warren Buffet vor einigen Wochen aufhorchen ließ, mit seinem salopp in die Welt gesetzten Sager, man möge ihn doch höher besteuern, war Christoph Bösch ganz Ohr. Vor allem als der Starinvestor mit dem Rat eines CNBC-Sprechers bedacht wurde, er möge seine Zuwendungen an den dürstenden Staat doch einfach überweisen. Mit einer Kontonummer könne er durchaus aushelfen. Da kam Bösch eine Idee. Kurzerhand griff er zum Telefonhörer und wurde im Finanzministerium mit folgendem Anliegen vorstellig: Er würde gerne eine Kontonummer veröffentlichen, wo Zahlungswillige Geld überweisen könnten, das letztendlich in die Staatskassen fließen würde.
Wollen Sie nicht sparen?
Im Finanzministerium zeigte man sich laut Bösch weidlich überrascht: "Wollen Sie nicht eher für‘s Sparen eintreten?" Man könne ja zum Beispiel auf Transferleistungen verzichten, wenn man zum Schuldenabbau beitragen möchte. Ergänzt wurde der Vorschlag durch den Hinweis, dass eine Kontonummer nicht dem Legalitätsprinzip entspreche, frei nach dem Motto: Da könnte ja jeder kommen. Würde Hans Peter Haselsteiner - der sich ja ebenfalls wiederholt bereitwillig zeigte, in Sachen Steuern tiefer in die eigene Tasche zu greifen - eine gewisse Summe überweisen, würde dies als Korruption ausgelegt.
Und wie es bei Gleichgesinnten oft passiert, stieß Christoph Bösch auf Alexander Dill. Der deutsche Soziologe, nach dessen Ideen die Schuldenberge der Staaten mit Hilfe der Vermögenden in Windeseile abgetragen sind (siehe dazu: Hurra wir tilgen schon). Dill, der seinen Teil zum Abbau des deutschen Schuldenbergs bereits geleistet hat, hat nun auch für heimische Tilgungswillige ein Konto eingerichtet. Eine interessante Idee, wie Bösch findet. Dills Plan, eine Vermögensabgabe in Höhe von 20 Prozent einzuheben und damit quasi eine Radikaltilgung zu bewerkstelligen, geht ihm aber nicht weit genug: "Die Idee hat ein bisschen zu viel Vertrauen in den Staat. Wobei ich sagen muss, in den deutschen hätte ich auch noch eine Spur mehr, weil das nicht ganz so eine Parteienwirtschaft ist wie bei uns."
Der Staat muss besser werden
Christoph Bösch hat noch eine andere Mission. Nicht nur die Schuldenberge der Staaten sind ihm ein Dorn im Auge. Unglücklich ist er auch mit den Rezepten, mit denen die Gesundung der staatlichen Haushalte bewerkstelligt werden soll. Was er findet: "Der Staat muss erst besser werden, bevor er mehr von den Bürgern verlangt". Das führt wieder zurück zu seiner Forderung nach mehr Demokratie. "Mehr Steuern nur gegen mehr Demokratie", lautet sein Credo. Was Bösch wichtig ist: Er will nicht nur wollen und fordern, sondern auch geben. Nicht nur er persönlich natürlich. Die Bürger und Bürgerinnen sollen ihm auf diesem Weg folgen, der da heißt: "Was kann ich tun für das Land?". Nun sei Vernetzung, Eigeninitiative und Organisation (siehe auch: Unterschriften sammeln) gefragt: Unterschriften und Projekte aller Art - organisierte Nachbarschaftshilfe bei Betreuungsdiensten etwa - sind willkommen. Die Bandbreite an Vorstößen könne breit sein und solle in in Richtung kluger Organisation des Lebens gehen. Teil davon wäre die freiwillige Abführung von mehr Steuern.
Was die von Bundeskanzler Werner Faymann ins Spiel gebrachte Vermögenssteuer betrifft, so sei das auch nur quasi ein Herumdoktern am System, weil kompliziert - wiewohl keineswegs ungerecht. "Die meisten Länder haben höhere Grundsteuern, die meisten Länder haben auch eine Vermögenszuwachssteuer, auch hochkapitalistische Länder. Wenn man eine Firma kauft und wieder verkauft, muss man eben auf den Gewinn Steuern zahlen, ungefähr so hoch wie die Einkommenssteuer, dafür sind die Arbeitseinkommen weniger hoch besteuert."
Böse Banken, böse Griechen
Die Last der Zukunftsgestaltung will Bösch aber nicht alleine auf den Schultern der Wohlhabenden ruhen wissen. "Die bösen Banken, die bösen Griechen, die bösen Reichen", auf solch ideologischen Unterbau will er gerne verzichten: "In Wirklichkeit sind wir alle Schuld. Wir haben seit 1980 über unsere Verhältnisse gelebt. Jetzt ist einfach Delaveraging (Anm: Aufnahme von Eigenkapital zum Zweck der Substitution von Fremdkapital) angesagt." Jetzt gehe es darum, dass jeder nicht einen gleichen Beitrag, sondern einen, der gleichermaßen zumutbar sei, zu leisten habe. Und da gelte es, das Problem an der Wurzel zu packen, denn das System an sich sei überholt und falsch. "Warum soll ich einem Süchtigen mehr Drogen geben?" Da schließt sich für Bösch der Kreis zu mehr und direktere Demokratie: "Die Parteien sollen auf einen Teil ihrer Macht verzichten, um den wesentlichen Teil zu behalten."
Behalten will Österreich auch sein Triple A. Da heiße es nun diverse Schräubchen zu drehen, ist Bösch überzeugt: "Wir haben neun Milliarden Zinszahlungen. Jetzt muss das Preis-Leistungs-Verhältnis der Politik verändert werden." Besser oder billiger, sei die Devise zum Beispiel bei den bekannten Schwachstellen Gesundheitssystem oder Bildung. Dem Vertrauensverlust diverser Institutionen - von der Politik bis hin zu Wissenschaft - sei mit mehr Eigeninitiative zu begegnen. Dafür will Bösch das Bewusstsein schärfen. Den freiwilligen Beitrag potenzieller Steuerspender sieht er als symbolischen Beitrag. Dafür, dass die Bürger opferbereit sind - bei entsprechender Gegenleistung, die da auch sein könnte: Weniger Parteienfinanzierung, weniger Parteieninserate, Gegensteuern bei den Frühpensionen. Die Regierung müsse sich glaubwürdig auf Sparen (seitens der Politik) und eine Demokratiereform festlegen. Rigoros.
Was die Vermögensabgabe nach Dill´schem Vorbild betrifft, so sei es realistischerweise ohnedies nicht auszuschließen, dass die Vermögen in Europa in den nächsten fünf Jahren mehr als 20 Prozent an Wert verlieren könnten. Daher könnten sich die Menschen umgekehrt auch sagen: "Wenn ich sicher bin, dass mir 80 Prozent bleiben, wäre ich bereit." (Regina Bruckner, derStandard.at, 15.9.2011)