Der "Gobi-Bär", ein geländegängiger Krankenwagen, auf seinem Weg in die Mongolei.

Foto: Michael Eisenriegler
Foto: Michael Eisenriegler

Die kasachische Hauptstadt Astana.

Foto: Michael Eisenriegler

10.000 Kilometer war das Team Otschir unterwegs.

Grafik: DER STANDARD

Montag, 25. Juli, im Morgengrauen: Reinhard Leitner fährt mit dem "Gobi-Bären", unserem Unimog-Krankenwagen aus deutschen Bundeswehr-Beständen, in Wien-Leopoldstadt vor, um Team und Gepäck einzuladen. Hinter uns liegen acht Monate Planung und Vorbereitung, vor uns 10.000 Kilometer in einem langsamen, alten, aber extrem geländegängigen Allrad-Lkw.

Wir fahren die 8. Ausgabe der Mongol Rally, eine jährlich stattfindende Charity-Veranstaltung mit Ulan Bator als Ziel. Jedes Team sammelt für karitative Einrichtungen, die allermeisten Autos verbleiben außerdem als Spenden in der Mongolei. Unser Unimog wird dort hoffentlich noch viele Jahre gute Dienste leisten, als Krankentransporter in der unwegsamen Steppe.

Zunächst müssen wir an den Start: Der eigentliche Auftakt der Mongol Rally erfolgt in England, die kontinentaleuropäischen Teams stoßen aber erst auf Schloss Klenová, südlich von Pilsen, zu den Briten. In einer wilden Abschiedsparty, dem "Czech Out", feiern die 440 teilnehmenden Teams sich selbst und den Beginn ihres waghalsigen Abenteuers. Nach einer kurzen und kalten Nacht geht es endgültig los, immer nach Osten.

Der Beginn unserer Reise steht unter keinem guten Stern. Kurz vor der Grenze zu Polen verweigert der Starter des Unimog seinen Dienst. Es folgen hektische Telefonate mit Herrn Josef, unserem Mechaniker aus Wien. Wir müssen uns abschleppen lassen. Ein großer Laster bringt den Gobi-Bären samt seiner Besatzung nach Polen zu Andreas, einem begnadeten Automechaniker und alten Freund von Herrn Josef. Reinhard und Andreas beginnen sogleich, die Umgebung nach eventuell passenden Startern zu durchkämmen - leider erfolglos.

Jetzt kann nur noch der lokale Autoelektrik-Guru helfen. Er liefert tatsächlich einen passenden Starter und der Gobi-Bär ist wieder unterwegs - allerdings mit mehr als drei Tagen Verspätung.

Nächste Station: Lemberg. Der ehemals östlichste Außenposten der alten Monarchie sieht noch immer sehr nach k. u. k. aus, wenn man von den Löchern in den Fassaden und Kopfsteinpflastern absieht. Wir gönnen uns einen Tag Zeitreise, bevor wir uns im betriebsamen und erstaunlich mondänen Kiew von Marion Breitschopf verabschieden. Sie fliegt nach Hause, zu zweit geht es über Nebenstraßen den mächtigen Dnjepr entlang in Richtung russische Grenze.

In der Zollstation von Novoschachtinsk, an der Grenze zu Russland, eröffnet man uns, dass wir eine Kaution in der Höhe von 31.600 Euro zu entrichten hätten, quasi als Versicherung, damit wir das Auto nicht in Russland verkaufen. Die österreichische Botschaft in Moskau und die russische Botschaft in Wien helfen so gut es geht, trotzdem müssen wir lähmende 99 Stunden warten, bis wir endlich weiterfahren dürfen. Mittlerweile sind wir schon eine Woche hinter unserem Zeitplan.

Die Aufholjagd beginnt. Wir fahren über Wolgograd, Saratov, Samara, Ufa, Tscheljabinsk bis zur Grenzstadt Troitsk mehr oder minder durch, bis zu 17 Stunden am Tag im Fahrerhaus, Müsliriegel, wenig Schlaf, meist auf unseren Krankenliegen. Russische Landstraßen mit ihren Fernfahrerkolonnen und waghalsig überholenden Autofahrern sind ohnehin kein Ort zum Verweilen, aber wir bedauern sehr, keine Zeit zu haben, uns die Sehenswürdigkeiten auf dem Weg anzusehen.

Bei Troitsk überqueren wir die Grenze zu Kasachstan und fahren tagelang über endlose weite Steppen bis zur glitzernden Hauptstadt Astana, dem Denkmal, das sich Präsident Nasarbajew selbst gesetzt hat. Wir verschnaufen einen halben Tag und bestaunen die monumentale Herrschaftsarchitektur. Ein seltsamer Kontrast zum Rest des Landes. Zurück nach Russland, zunächst in die Region Altai, danach in die gleichnamige autonome Republik. Die Steppe wird langsam bewaldet, aus der Ebene erheben sich Hügel, die Hügel werden zu Bergen, wir rasten in einem buddhistischen Meditationszentrum im idyllischen Dörfchen Askat, umgeben von windschiefen Holzhäusern, wilden Bergbächen, wuchernder Natur und entspannten Menschen. Kein Vergleich mit dem Zollparkplatz und den endlosen Landstraßen, auch das ist Russland. Weiter geht es den Fluss Katun entlang in die Berge. Die Grenze zur Mongolei liegt auf 2500 Meter, genau auf der Passhöhe endet auch der Asphalt. Für die Einreiseformalitäten und den Import des Autos benötigen wir einen vollen Tag, dann haben wir es endlich geschafft: Wir sind in der Mongolei!

Wir übernachten bei einer Familie in der Grenzstadt Tsagaannuur und erfahren, dass die nördliche Route durch die Mongolei wegen Hochwassers unpassierbar ist. Wir nehmen also den südlichen Weg. Er führt uns zunächst über hunderte Kilometer durch die Hochebenen des Altai-Gebirges, über Schlagloch-Pisten und Bergpässe, danach am Rande der Wüste Gobi durch die karge Steppe. Die Städte, die wir passieren, Ulgii, Khovd, Altai, sind jeweils die Hauptstädte von Gebieten so groß wie Österreich, haben aber doch nur ein paar tausend Einwohner.

Dazwischen ist über hunderte Kilometer einfach nichts, keine Zivilisation, oft nicht einmal Nomadenzelte. Wir übernachten in völliger Einsamkeit in unserem Auto auf einer riesigen leeren Ebene, die sich nach allen Richtungen bis zum Horizont ausbreitet, ein seltsames Gefühl. Endlich, 250 Kilometer vor Ulan Bator, beginnt wieder der Asphalt. Wir sind unschlüssig, ob wir unser Abenteuer wirklich "schon" beenden sollen, vier Wochen sind wir unterwegs. Wir finden, es reicht, und fahren weiter zur Ziellinie im Zentrum von Ulan Bator. (Michael Eisenriegler/DER STANDARD/Rondo/16.09.2011)