Bild nicht mehr verfügbar.
Die Katze kann sich nur anstecken, wenn es einer gefangenen Maus gelingt zuzubeißen.
Wien - Die Pocken gelten als die einzig global ausgerottete Viruserkrankung des Menschen. Schon 1796 wurde die Impfung erstmals dagegen angewendet. Kuhpockenviren halfen dabei, einen körpereigenen Schutz gegen die Pockenviren aufzubauen. 1980 wurden die Impfungen mangels Notwendigkeit wieder eingestellt.
Nun könnten die Kuhpockenviren selbst zum Problem werden: Wie Forscher der Veterinärmedizinischen Uni Wien feststellten, werden diese über Haustiere immer öfter auch auf den Menschen übertragen. Der Krankheitsverlauf ist zumeist milde - gefährlich wird es für Menschen mit unterdrücktem Immunsystem.
Großes Wirtsspektrum
"Sowohl für Tierärzte als auch für Humanmediziner ist es mitunter nicht leicht, die Krankheit zu erkennen, weil sie seit 1979 als ausgerottet gilt", so Norbert Nowotny, der mit seinem Forschungsteam an der Vetmeduni an einer im Online-Journal "Plos One" veröffentlichten internationalen Studie zum genetischen Stammbaum der Kuhpockenviren beteiligt war. Auch der Name ist irreführend: Denn die Kuhpocken beschränken sich bei weitem nicht auf Kühe, sondern haben ein Wirtsspektrum, das von der Maus zum Elefanten und schließlich von der Hauskatze zu ihrem Herrchen reicht.
Laut einer früheren Studie der Vetmeduni trägt jede sechste Wühlmaus Antikörper gegen das Kuhpockenvirus - "übertragen kann sie es aber nur, wenn das Virus aktiv ist", so Nowotny. Für die Katze muss also viel Pech im Spiel sein: Anstecken kann sie sich nur, wenn es der gefangenen Maus gelingt, noch einmal zuzubeißen. In diesem Bereich - also meist an Gesicht oder Vorderpfoten der Katze - bildet sich dann eine erste Pocke, nach zehn Tagen kommen noch kleinere, unter dem Fell of unbemerkte, dazu. In den folgenden sechs Wochen reicht es, die Katze zu streicheln, um als Mensch eine direkte Kontaktinfektion davonzutragen.
Mikroverletzungen als Eintrittspforte
"In unbeschadete Haut kann das Virus nicht eindringen, aber es genügen kleinste Risse, die wir gar nicht merken", betont Nowotny. Ist man vor den frühen 1980ern geboren und damit Pocken-geimpft, ist der Schutz weiter aufrecht. Jüngeren Semestern könnte genau da, wo der Kontakt mit dem Haustier (neben der Katze gilt vor allem die Haustier-Ratte sowie sehr selten das Kaninchen als potenzieller Überträger) stattgefunden hat, eine vier bis fünf Zentimeter große Pocke bevorstehen. Bei funktionierendem Immunsystem ist das kein Problem, die Stelle wird antibiotisch abgedeckt, nach sechs Wochen sollte der Spuk vorbei sein.
"Aber die Zahl der Menschen mit supprimiertem Immunsystem wird immer höher." So kann eine Kuhpockeninfektion für Menschen mit HIV, aber auch für solche, die wegen einer rheumatischen Erkrankung, wegen einer Organtransplantation oder wegen starker Allergien Immunsuppressiva einnehmen, wirklich gefährlich werden. In München kam es zu einem Todesfall.
Breit gefächerter Virusstammbaum
In der jüngsten Studie zu den Kuhpocken ist es den Forschern gelungen, den genetischen Stammbaum des Virus aufzuschlüsseln - und er ist wesentlich breiter gefächert, als bisher angenommen. "Man ging bis jetzt von einer einzigen Virengruppe aus", so Nowotny. Daher war man auch der Meinung, dass der langjährig verwendete Impfstoff von einem Kuhpockenstamm aus England stammen müsste - schließlich hatte der englische Arzt Edward Jenner die Pockenimpfung erstmals angewandt. Tatsächlich liegt seine Herkunft allerdings in Osteuropa. "Das ist vor allem von historischem Interesse", so Nowotny. Der Impfschutz ist von den jetzt gefundenen genetischen Unterschieden unabhängig. (APA)