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Kein EU-Pass, aber trotzdem EU-BürgerIn? Für viele ist das - zumindest gefühlsmäßige - Lebensrealität

Foto: dpa/Frank Mächler

Der "Fremde": im österreichischen Recht übliche Bezeichung für einen Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft

Screenshot: RIS

Eine "Wohnbürgerschaft", die unabhängig von der Staatsangehörigkeit verliehen wird, fordert SOS Mitmensch. Alle, die sich in Österreich niedergelassen haben, sollten nach drei Jahren "WohnbürgerInnen" werden und volle politische und soziale Rechte, also auch das Wahlrecht, erhalten, fordert die NGO.

SOS Mitmensch kritisiert, dass in Österreich Menschen, die seit vielen Jahren hier leben oder sogar hier geboren sind, von bestimmten Rechten abgeschnitten sind. Menschen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, hier arbeiten, Steuern zahlen und sich hier zuhause fühlen, sollten in ihren Rechten StaatsbürgerInnen gleichgestellt werden, fordert Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. "Schließlich ist es alles andere als leicht, österreichischeR StaatsbürgerIn zu werden", so Pollak.

Wer mobil ist, kriegt keinen Pass

Dem pflichtet auch Politikwissenschafter Gerd Valchars von der Uni Wien bei: Österreich mache es Menschen, die hier seit langem niedergelassen sind, bei der Einbürgerung besonders schwer. Wer einen österreichischen Pass beantragen will, muss zehn Jahre ununterbrochen hier gelebt haben - angesichts des EU-Credos, Menschen sollten möglichst mobil sein, sei das "nicht gerade zeitgemäß", so Valchars. Zum Vergleich: Belgien verleiht die Staatsbürgerschaft schon nach drei Jahren. Zudem müsse man in Österreich bis zu 1500 Euro für die Einbürgerung aufwenden, Sprachtests bestehen und einen einwandfreien Leumund haben. 

Neben einer Lockerung beim Zugang zur Staatsbürgerschaft soll die Einführung der Wohnbürgerschaft zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft führen. Denn, so Pollak: "Menschen, die sich hier zuhause fühlen, die weder fremd sind, noch fremd sein wollen, werden von der Politik zu Fremden gemacht." Dies führe zu einem Spalt in der Gesellschaft. Pollak fordert, "das Wort ‚fremd‘ im Gesetz ersatzlos zu streichen".

"Bin nicht fremd"

Anna Durnova, die selbst seit 1997 in Österreich mit einem tschechischen Pass lebt, kann dem Vorschlag viel abgewinnen: „Ich bin zwar privilegiert, weil ich seit 2004 EU-Bürgerin bin", sagt die Uni-Assistentin. „Aber bei der Arbeits- oder Wohnungssuche bekomme ich es jedes Mal zu spüren, dass ich 'fremd‘ bin", so Durnova. "Aber wo wohne ich, wo zahle ich Steuern, wo gehe ich zum Arzt? In Österreich. Und wenn mich jemand im Ausland fragt, woher ich komme, dann sage ich: 'Aus Wien.‘"

Auch die Künstlerin Carla Bobadilla spürt, dass sie immer noch anders behandelt wird, obwohl sie seit fast zehn Jahren in Wien lebt. "Wenn man mich in einem Programm ankündigt, heißt es immer: 'Künstlerin aus Chile‘. Warum? Meine Kunst hat mit österreichischer Kultur viel mehr zu tun als mit chilenischer."

Pollak ist überzeugt, dass schon allein eine andere Wortwahl zu einem Gesinnungswandel beitragen könne. "Kein Mensch, der hier seinen Lebensmittelpunkt hat, darf als FremdeR oder AusländerIn bezeichnet werden." (Maria Sterkl, derStandard.at, 15.9.2011)