
Das Volk erhebt sich von der Kirchenbank: Der "Aufruf zum Ungehorsam" von Helmut Schüllers Pfarrerinitiative soll jetzt die Basis für eine sanfte Revolution gegen Rom sein.
Linz - Das Dunkel der Nacht umhüllt das Linzer Priesterseminar. Nur im Seminarraum "Heiliger Severin" brennt an diesem Mittwochabend noch Licht. Nein, es sind nicht strebsame Priesteranwärter, die sich zu später Stunde biblischer Lektüre hingeben - es ist der katholische Widerstand.
Am Mittwoch trafen einander in Linz Vertreter von "Wir sind Kirche", der Pfarrerinitiative, "Priester ohne Amt" und der Laieninitiative. Mit einem Ziel: künftig gemeinsam "ungehorsam" zu sein. Insgesamt 60 Klerikal-Rebellen fanden sich kurioserweise im Priesterseminar ein, um über gemeinsame Strategien im Kampf um eine Kirchenreform zu beraten. Basis ist der derzeit viel diskutierte "Aufruf zum Ungehorsam" der Pfarrerinitiative rund um den ehemaligen Wiener Generalvikar Helmut Schüller. Unter anderem wird die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt, die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene und eine Änderung beim Zölibat gefordert.
"Die einzelnen Gruppen werden sich jetzt stärker vernetzen. Wir gehen den Weg nun gemeinsam. Die Bischöfe verweigern leider den Dialog, es braucht jetzt ein klares Handeln. Die Bischöfe glauben ja immer noch, dass sich die Welt dreht, wenn sie ein bisschen mit ihrem Schreibtischglobus spielen. Aber die Welt dreht sich auch ohne die Bischöfe", erläutert Hans-Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche" im Gespräch mit dem STANDARD. Noch nie seien die Reformchancen so groß gewesen wie jetzt. Hurka: "Die Zeit ist reif. Erstmals rebelliert nicht nur die Basis, die Laien, jetzt ist es der Mittelbau - die Priester -, der laut aufschreit."
Marsch auf den Bischofshof
Und der Appell des Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari, doch endlich "vom Gas" zu gehen, scheint unter den Kirchenrebellen auf wenig Gehör zu stoßen. "Wir steigen jetzt erst so richtig aufs Gas. Wir planen konkrete Aktionen, etwa einen Marsch in einen Bischofshof. Da bin ich dann gespannt, was der Bischof macht, wenn plötzlich 500 Leute dort auftauchen. Auch ist eine Ausweitung der sogenannten Donnerstaggebete für die Erneuerung der Kirche geplant", erläutert Hurka.
Anton Achleitner von "Wir sind Kirche" setzt nach: "Es ist wie in Ägypten. Es wird die Revolution des Kirchenvolkes in Österreich geben. Wir machen den Stephansplatz zum Tahrir-Platz. Eine Spaltung in der katholischen Kirche wolle man aber nicht. Hurka: "Es geht nicht um eine reine Provokation, auch wenn man uns Aktionisten schimpfen mag. Es geht um die Verantwortung leidenden Menschen gegenüber. Wir brauchen endlich ein Glaubensbild, das ins 21. Jahrhundert passt. Es gilt diese Wende voranzutreiben, sonst geht es den Bach runter."
Kardinal Christoph Schönborn lässt hingegen via diözesanem Rundschreiben verlautbaren, er wolle das Priesteramt offenbar nicht für Frauen oder verheiratete Männer öffnen. Denn die aktuellen Strukturen aufrechtzuerhalten, indem etwa die Zulassungsbedingungen geändert werden, sei "zu konservativ" gedacht. (Markus Rohrhofer, STANDARD-Printausgabe, 16.9.2011)