Wien - Für 615.000 Beschäftigte der Metallindustrie und des Handels sowie für 350.000 Beamte geht es bei der heurigen Herbstlohnrunde um eine Erhöhung der Kollektivverträge um mindestens drei Prozent, damit die derzeit hohen Teuerungsraten abgeglichen werden. Im August lag die Inflation bei 3,4 Prozent. Die Metallindustrie, die am 22. September die herbstliche Feilscherei einleitet, hat bereits angekündigt, dass es ein Lohnplus von drei Prozent geben werde, inklusive einer nennenswerten Einmalzahlung. Die von ihr in den vergangenen Jahren stark forcierte Arbeitszeitflexibilisierung steht heuer nicht auf der Tagesordnung. Man habe zur Kenntnis genommen, dass es hier keinerlei Bewegung bei den Gewerkschaften gibt.
Laut einer dieser Woche veröffentlichten Umfrage des internationalen Personalberaters Aon Hewitt unter 91 heimischen Unternehmen gehen diese von einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von 2,8 Prozent aus. Das Top-Management kann demnach 2012 mit 2,9 Prozent Einkommensplus rechnen, Spezialisten und mittleres Management können auf 2,8 bzw. 2,7 Prozent hoffen. Sachbearbeiter und gewerbliche Arbeitnehmer schneiden mit 2,6 Prozent Gehaltszuwachs am schlechtesten ab.
Die Metallergewerkschaft Pro-Ge, sie vertritt 165.000 Beschäftigte plus rund 16.000 Leiharbeiter, geht mit der Forderung einer "saftigen Lohnerhöhung" in die Gespräche. "Mit der Abgeltung der Inflationsrate und einem geringen Aufschlag ist es sicher nicht getan. Die Menschen müssen den Aufschwung auch im Geldbörsel spüren", betont Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer und verweist auf die gute Auftragslage der Branche. Über diese freut sich auch die Industrie, sie verweist aber auf den einsetzenden Abschwung in Deutschland und die zahlreichen Unwägbarkeiten durch die Wirtschaftskrise. Die zuletzt geforderte Arbeitszeitverkürzung scheint auf Arbeitnehmerseite nicht mehr prioritär zu sein.
Höherer Druck
Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hat die Gewerkschaft den Druck bei der Beschäftigung von Leiharbeitern erhöht. Sie wollen Zeitarbeitsfirmen dafür bestrafen, dass sie ihre Mitarbeiter kündigen und beim AMS "zwischenparken", wenn kein Folgeauftrag mehr in Sicht ist. Konkret sollen nun Leiharbeiter bei Beendigung des Dienstverhältnis drei Monate lang ein höheres Arbeitslosengeld bekommen. Finanziert werden soll diese "Zusatzprämie" aus einem Sozialfonds, der von den Arbeitgebern gespeist wird; ein Prozent der Bruttolohnsumme je Arbeitnehmer. Die Branchenvertreter lehnen jedoch ein höheres Arbeitslosengeld auf ihre Kosten ab und haben Verhandlungen darüber brüsk abgebrochen. "Wir sind gegen jedes Zugeständnis, das die Lohnnebenkosten erhöht", sagt Gerhard Flenreiss, Obmann der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer (WKÖ). In Deutschland hat die Gewerkschaft angekündigt, dass das Thema Leiharbeit Teil der bevorstehenden Tarifverhandlungen ist.
Im Vorjahr konnten die beiden Verhandlungsführer auf Arbeitnehmerseite, Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Proyer (GPA), ein durchaus respektables Ergebnis erzielen. Die Beschäftigten bekamen rückwirkend 2,5 Prozent mehr Mindestlohn, der Ist-Lohn stieg um 2,3 Prozent. Zuzüglich dazu gibt es noch einen einmaligen Mindestbetrag von 45 Euro, was für die untersten Einkommensschichten ein Gehaltsplus von bis zu 3 Prozent bedeutet. Der Mindestlohn stieg leicht auf 1.524 Euro. Lehrlinge erhielten bei einem positiven Lehrabschluss eine Prämie von 150 Euro. Außerdem gab es noch ergebnisabhängige Einmalzahlungen zwischen 50 und 150 Euro. Dem Abschluss war ein 17-stündiger Verhandlungsmarathon vorausgegangen, bei dem die Gespräche zweimal auf der Kippe standen.
Wifo-Experte Marcus Scheiblecker geht davon aus, dass durch die bevorstehende Herbstlohnrunde die Realeinkommensverluste infolge der hohen Teuerungsrate ausgeglichen werden. Skeptisch ist er jedoch, wie viel "Zubrot" darüber hinaus aufgrund der gewachsenen Konjunktur-Unsicherheiten "drinnen" ist. "In Zeiten so großer Verwerfungen gibt es keine einfache Lohnrunde", sagte er. (APA)