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Spanien will der Arbeitslosigkeit die rote Karte zeigen.
Wien - Spanien hat sich innerhalb weniger Jahre von "einem Musterknaben zu einem Nachzügler" innerhalb der EU entwickelt. Eine geplatzte Immobilienblase und die Wirtschaftskrise hätten die Staatsschulden seit 2008 von 40 auf 70 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in die Höhe schießen lassen, erklärte der frühere österreichische Wirtschaftsdelegierte Friedrich Steinecker am Freitag in Wien. Spanien benötige ein nachhaltiges Wirtschafts- und Wachstumsmodell, um nicht mehr so stark von Binnenkonsum und Immobiliensektor abhängig zu sein. "Preise und Löhne müssen noch weiter angepasst werden, das ist brutal", betonte Steinecker.
Die Regierung will derweil eine befristete Sondersteuer für Reiche in Spanien einführen. Nach dem Motto "Reichensteuer für ein Jahr" soll diese nur bis 2012 gelten. Sie wird für alle Steuerzahler fällig, deren Vermögen mit mehr als 700.000 Euro beziffert wird, das hat die sozialistische Regierung am Freitag beschlossen. Nach Angaben der Regierung sind etwa 160.000 Menschen betroffen, sie müssen 0,2 Prozent Sonderangabe bezahlen. Die Belastung steigt progressiv: Für die sehr Reichen - mit einem Vermögen von mehr als 10,7 Millionen Euro - gilt ein Sondersteuersatz von 2,5 Prozent.
Die sogenannte Vermögenssteuer soll nur für die Jahre 2011 und 2012 gelten. Der spanische Staat erhofft sich nach Angaben von Finanzministerin Elena Salgado zusätzliche Einnahmen von bis zu 1,08 Milliarden Euro im Jahr. Die konservative Volkspartei (PP) von Oppositionsführer Mariano Rajoy ist gegen die Wiedereinführung der Steuer. Mehrere Regionen, in denen die PP regiert, haben bereits signalisiert, dass sie die Steuer nicht erheben wollen.
15 Jahre Boom folgte Ernüchterung
Griechische Verhältnisse ortet der Ex-Wirtschaftsdelegierte Steinecker in Spanien aber nicht, die Staatsverschuldung sei im EU-Vergleich nicht so hoch. Auch eine Flucht unter den Euro-Rettungsschirm werde es deswegen wahrscheinlich nicht geben. Die größten Probleme der spanischen Wirtschaft seien derzeit die hohe Arbeitslosigkeit, eine schwaches Wirtschaftswachstum und der Immobilienmarkt. Spanien habe aber "die modernste Infrastruktur in Europa" und "Weltmarken" wie den Modekonzern Zara, Telefonica und die Bankengruppe Santander, sagte Steinecker, der Ende August für zwei Jahre zur Wirtschaftskammer nach Österreich zurückgekehrt ist. Außerdem profitiere Spanien vom Wirtschaftsboom in Lateinamerika. Rund fünf Prozent der spanischen Exporte gehen nach Lateinamerika, im Vergleich zu Österreich mit nur 0,5 Prozent.
Seit den Olympischen Spielen in Barcelona und der Weltausstellung in Sevilla im Jahr 1992 habe man eine beispiellose Boomphase erlebt, beendet erst durch die Finanzkrise. Das Wirtschaftswachstum sei in diesem Zeitraum rund ein Prozent über dem EU-Schnitt gelegen, so Steinecker. Die Arbeitslosenquote von über 20 Prozent in den 1990er Jahren sank bis auf rund acht Prozent im Jahr 2007. Die Wirtschaftskrise beendete diesen Boom aber schlagartig. Die Arbeitslosenquote schoss wieder auf 20 Prozent in die Höhe, bei Jugendlichen sogar auf 45 Prozent. Die Wirtschaftsleistung ging im Jahr 2009 um -3,8 Prozent zurück, stagnierte im folgenden Jahr bei -0,1 Prozent und soll heuer wieder um 0,8 Prozent wachsen.
Die spanische Regierung habe auf Druck der Finanzmärkte im vergangenen Jahr den Arbeitsmarkt flexibilisiert und den Sparkassensektor neu geordnet, erklärte Steinecker. Außerdem habe sich die Regierung verpflichtet, das Budgetdefizit bis 2013 wieder auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu reduzieren. Das Defizit lag im Jahr 2009 bei elf Prozent und soll heuer auf sechs Prozent sinken.
Der Immobiliensektor ist einer der Problembereiche der spanischen Wirtschaft: Seit 2003 habe es einen Bauboom im privaten Wohnbau gegeben, angefeuert von billigen Kreditzinsen und einem starken Anstieg der Immobilienpreise. Bei einem Bedarf von 300.000 Wohnungen wurden damals 800.000 Wohnungen gebaut. Die Preise hätten sich damals zum Teil verdoppelt, so Steinecker. Ab der Finanzkrise 2007 sei "der Geldhahn zugedreht" worden, und die Immobilienpreise stürzten etwa für Ferienimmobilien um 50 Prozent ab, bei Stadtimmobilien um rund 20 Prozent. Derzeit würden rund 1 Million private Immobilien leer stehen. Es gebe Expertenmeinungen, dass mindestens 200.000 Immobilen in schlechten Lage abgerissen werden müssten und die Immobilienpreise noch um 10 Prozent sinken würden.
Die österreichischen Exporte nach Spanien sind in der Krise um knapp die Hälfte auf 1,8 Mrd. Euro eingebrochen, sollen aber heuer wieder rund 2 Mrd. Euro erreichen, erwartet Steinecker. Ein Großteil der österreichischen Ausfuhren entfallen auf den KFZ-Bereich, Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge sowie chemische Produkte. Sehr stark sei Österreich im Bereich Erneuerbare Energie und sogar Marktführer bei Biomasse, erklärte Steinecker. Gute Möglichkeiten für österreichische Firmen gebe es unter anderem in den Bereichen Energietechnik und Infrastruktur, Gesundheit, Biotechnologie und auch Bauholz. (APA/red)