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Wiesberger: "Ich bin für meine Leistung lieber selbst verantwortlich als von anderen abhängig."
Standard: Platz vier in Irland, Platz zwei in Schottland - ist der erste Wiesberger-Sieg auf der European Tour bald fällig?
Wiesberger: Da muss man schon Demut bewahren. Bei diesen Turnieren hatte ich jeweils eine sehr gute Woche. Für den Sieg braucht es eine sehr, sehr gute Woche und auch Glück. Ich bin jetzt nicht unbedingt der große Titelkandidat. Aber natürlich kann es passieren, und vielleicht passiert es ja bald.
Standard: Woran liegt es, dass Ihnen der Knopf aufgegangen ist?
Wiesberger: Ich war heuer schon in den ersten Monaten konstant, hab etliche Cuts geschafft. Die Topresultate sind aber erst später gekommen. Mein Spiel fühlt sich insgesamt kompakt an, ich hab derzeit keine echte Schwäche.
Standard: Sie waren 2009 schon einmal auf der European Tour, haben den Klassenerhalt verpasst und sich 2010 über die Challenge Tour wieder hochdienen müssen. Wie wichtig waren diese zwei Jahre für Ihre Entwicklung?
Wiesberger: Ich hab gesehen, wo ich an mir arbeiten muss. Ich hab schon mein erstes Jahr auf der Tour genossen, hab nicht gehadert, obwohl es nicht nach Wunsch gelaufen ist.
Standard: Wissen Sie, wie viel Sie heuer schon verdient haben?
Wiesberger: Ich weiß, wo ich im Preisgeldranking stehe und was ich von Sponsoren bekomme.
Standard: An Preisgeldern stehen 297.557 Euro zu Buche. Kann man sagen, in welchem Verhältnis die Sponsorengelder dazu stehen? Bei Tiger Woods zum Beispiel wäre das ein Vielfaches, heuer sowieso.
Wiesberger: Bei mir sind die Turniereinnahmen schon noch höher als die Sponsoreneinnahmen. Ich hab Raiffeisen als Hauptsponsor und Ausrüster wie die Schlägerfirma Titleist. Aber ich hoffe stark, dass sich auch auf dem Sponsorensektor bald etwas tut.
Standard: Sie liegen in Europa auf Rang 74. Wohin soll es heuer, wohin auf lange Sicht gehen?
Wiesberger: Die Tourkarte für 2012 ist mir fast sicher. Es gab noch kein Jahr, in dem mein Preisgeld nicht gereicht hätte. Aber ich will mich sowieso nach oben orientieren.
Standard: Denkt man, wenn man aussichtsreich klassiert ist, auch an das viele Geld, das winkt?
Wiesberger: In Schottland, nach meinem letzten Schlag, ist mir bewusst geworden, dass ich mir für heuer keine Sorgen mehr machen muss. Während der Runde blende ich Gedanken ans Preisgeld aus, das würde mich nur nervös machen. Außerdem spiele ich nicht in erster Linie, um Preisgeld zu gewinnen.
Standard: Warum spielen Sie?
Wiesberger: Wie jeder Sportler will ich gute Leistungen bringen. Ich will mich beweisen, mich mit den Besten messen, will auf lange Sicht Turniere gewinnen. Das Preisgeld kann nie die Motivation sein, es ist ein Bonus.
Standard: Haben Sie bestimmte Golfvorbilder, ein Idol?
Wiesberger: Ein Idol in dem Sinn hab ich nicht. Aber es gibt viele Spieler, die ich bewundere. Die beobachte ich, und ich rede auch mit ihnen, um von ihnen zu lernen. Aber im Turnier versuche ich auch sie zu schlagen.
Standard: Etliche junge Österreicher feierten zuletzt Erfolge. Zufall, oder steckt System dahinter?
Wiesberger: Wenn einer Erfolg hat, motiviert das die anderen. Der Golfverband macht viel richtig, setzt gute Trainer ein. Und man geht in die Schulen, um Nachwuchs zu finden. Außerdem gibt's in Österreich tolle Plätze. Golf ist kein Sport mehr für Reiche, sondern ein Sport für alle.
Standard: Ihre Eltern betreiben in Oberwart ein Sportgeschäft und den Pro Shop im GC Bad Tatzmannsdorf. War Ihr Weg sozusagen vorgezeichnet?
Wiesberger: Das würde ich nicht unbedingt sagen. Ich hab von Elternseite nie Druck gehabt, aber natürlich immer Unterstützung.
Standard: Stimmt es, dass Fußball für Sie auch eine Option war?
Wiesberger: Nur in ganz jungen Jahren. Ich bin gerne Einzelsportler, bin lieber für meine Leistung selbst verantwortlich als bis zu einem gewissen Grad von anderen abhängig.
Standard: Wie würden Sie Ihr Spiel beschreiben? Wo sind Ihre Stärken, wo haben Sie noch Reserven?
Wiesberger: Momentan ist das Gesamtpaket sehr gut, ich bin konstant, mache nicht viele Fehler. Ich muss kontinuierlich an meinem Schwung arbeiten, aber die größte Möglichkeit, mich zu verbessern, sehe ich im kurzen Spiel, beim Pitchen, also bei der Annäherung, und Putten. Da sind für einen Golfer die meisten Schläge herauszuholen.
Standard: Trauen Sie sich zu, einmal in der europäischen Mannschaft für den Ryder Cup zu stehen?
Wiesberger: Ryder Cup zu spielen, das ist sicher ein langfristiges Ziel von mir.
Standard: 2012 steigt der Ryder Cup in Amerika, 2014 wird in Glen-eagles gespielt, wo Sie kürzlich auf Rang zwei gelandet sind.
Wiesberger: Wo gespielt wird, das weiß man seit ein paar Jahren. Wer mitspielen darf, das wird sich erst herausstellen.
(DER STANDARD Printausgabe, 17./18.9.2011)