Was haben die Sorgen von Millionären wie Haselsteiner oder Warren Buffett mit Peter-Alexander-Filmen zu tun? Wie kommt es, dass die Argumente vieler linker Kritiker immer noch wie Textfragmente aus der "Proletenpassion" klingen, während sich gleichzeitig konservative Denker zunehmend der Position der "Linken" annähern?

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"Vermögenssteuern haben mit Gerechtigkeit nichts zu tun und sind eine Enteignung." (Bernhard Felderer im Standard vom 14. 9.)

Wenn Wirtschaftsforscher nicht ökonomisch sondern kastenpolitisch argumentieren, kommen sie gerne mit Keulen oder "Huchworten" daher. Enteignung ist so ein Schreckenswort und auch Doppelbesteuerung.

Jede Steuer ist prima vista eine Enteignung! Die Verschleuderung von Bundeswohnungen und der Austria Tabakregie unter dem realen Wert war auch eine Enteignung. Die zukünftige Kündigung von 20.000 griechischen Staatsbeamten ist es ebenfalls. Lohn- und Pensionskürzungen, Steuererhöhungen, gesteuerte Inflation gleichfalls. Auch Geldbußen und Strafen. Wohin man blickt: Enteignungen!

Über die vielfältigen Formen der Aneignung - im Wechselspiel mit Enteignung - höre ich in der politisch-philosophischen Debatte wenig. Das daraus entstehende Eigentum und seine Erscheinungsformen und seine Weitergabe werden überhaupt nicht mehr in Frage gestellt. Noch vor 200 Jahren schrieb Hegel, dass es nicht die Aufgabe des Staates sei, das private Eigentum zu schützen. Wie übrigens das lateinische Wort "privat" - auf Deutsch "beraubt" - schon einen Hinweis auf die Entstehung manchen Eigentums gibt.

Wie dumm das auf Steuern bezogene Gerede von Enteignung allerdings ist, kann bei einiger Denkleistung schnell einleuchten. Wenn der Millionär Haselsteiner für sein, wie er selbst sagt "unverschämt hohes Einkommen unverschämt hohe Steuern" zu zahlen bereit ist, und zwar freiwillig, so könnte man seine Steuerleistung als Geschenk bezeichnen. Oder als eine Spende an sozial Schwächere. Keinesfalls ist es dann eine Enteignung im herkömmlichen Sinn - allenfalls eine Umeignung.

Herr Haselsteiner ist aber offensichtlich nicht nur altruistisch gut, er ist auch Utilitarist. Er hofft, so sagt er es auch, sich mit seinen Steuerabgaben sozialen Frieden in Österreich zu erkaufen. Denn dieser ist mehr und mehr gefährdet, je ungleicher die Einkommen und damit die Lebenschancen der Menschen verteilt sind. Nun verwandelt sich seine Steuerleistung flugs von einer Spende in einen Kaufpreis oder in eine Anzahlung und ist dann Teil eines "Geschäftes". Es werden dann Äquivalente getauscht. Für meine Steuern erhalte ich etwa Gesundheit, Bildung, Sicherheit. Gut so.

Es ist ersichtlich, wenn Geld oder Vermögen den Eigentümer wechselt muss man den Willen und die Motive der am Wechsel Beteiligten und das System des Enteignens und Aneignens analysieren. Eingebettet sind diese privaten Wechselbeziehungen in allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse, die etwa auch durch Gesetze kodifiziert und (hoffentlich) allgemein akzeptiert sind.

Als ich unlängst (zu) schnell durch Horn fuhr, fiel ich einer Enteignung von 60 Euro durch die Bezirkshauptmannschaft anheim. Herr Felderer, was sagen sie dazu?

Der nächste Kampfbegriff ist die Doppelbesteuerung. Er wird schon bei der leisesten Erwähnung von Erbschaft- und Substanzbesteuerung in Stellung gebracht. Die rechtsphilosophische Frage "Warum nicht doppelt besteuern?" lasse ich beiseite. Auch die wichtige Unterscheidung von Steuersubjekt und Steuerobjekt möchte ich nur andeuten. Es wird bei einer Erbschaft der/die neue Eigentümerin nicht doppelt besteuert.

Die Verlogenheit aber jener Personen, die gegen die Doppelbesteuerung wettern, erkennt man daran, dass diese gegen die 20 Prozent Mehrwert- oder Umsatzsteuer plus Verbrauchersteuern noch nie ein Wort verloren haben, obwohl hier die Verwendung von bereits versteuertem Einkommen neuerlich besteuert wird. Diese deutlich ungerechte, weil nicht progressive Steuer macht mehr als ein Drittel des gesamten österreichischen Steuer- und Abgabenaufkommens aus. Und wird übrigens von allen bezahlt, auch von jenen, die, weil sie für ein beschämend niedriges Salär schuften müssen, von der Lohnsteuer befreit sind.

Die Umverteilungsdebatte wird von der SPÖ, wenn überhaupt, fast ausschließlich unter dem Gerechtigkeitsaspekt geführt. Im Vordergrund steht manchmal auch die Demokratiegefährdung in Krisenzeiten. Rechte Populisten werden leichtes Spiel haben, die wutgetränkte Apathie breiter, extrem enttäuschter und gedemütigter Schichten in Wahlerfolge umzumünzen. Bedrohlicher politischer Aktionismus kann die Folge sein.

Beide Gesichtpunkte haben ihre Berechtigung, aber über die handfesten ökonomischen Gründe wird zu wenig oder oft in unverständlichen Verklausulierungen gesprochen. Auch ÖGB Chef Foglar sagt: "Kaufkraftverluste müssen wettgemacht werden." Warum fordert er nicht endlich: "Niedrige und mittlere Löhne und Einkommen müssen unbedingt deutlich steigen"?

Die derzeit bestehende, exorbitante Ungleichverteilung bei Einkommen und Vermögen war die wesentliche Ursache für die letzte große Krise und wird zu weiteren ökonomischen Katastrophen führen, weil sie bewirkt, dass der Massenkonsum einbricht und die sehr Reichen ihr Vermögen weder "verkonsumieren" können noch vernünftigerweise in die schrumpfende Realwirtschaft investieren. Die Folgen kennen wir: Ungeheure Geldmengen auf den Banken und in der Finanzspekulation.

Enteignungsmaßnahmen unerhörten Ausmaßes haben übrigens die USA während und nach dem zweiten Weltkrieg zur wirtschaftlichen Großmacht werden lassen und zu einer gerechten Gesellschaft - ein geachteter Status, den sie im Begriffe ist zu verlieren. Diese Enteignungsmaßnahmen gingen unter dem Begriff des New Deal in die Geschichte ein:

Der Spitzensteuersatz stieg von 24 auf 79 Prozent, noch Eisenhower erhöhte sie nach dem Krieg auf 91 Prozent. Die Unternehmensteuer, die im Krisenjahr 1933 noch 14 Prozent betrug, stieg auf 45 Prozent im Jahre 1955. Die Erbschaftssteuer von 20 auf 77 Prozent.

Die, der gesamten US-Wirtschaft und gesellschaftspolitischen Entwicklung so zuträgliche Politik staatlicher Einnahmen - eben nicht nur sparen, müsste heute das leuchtende Vorbild sein. Dazu gehören Löhne, die dem Wirtschaftswachstum angepasst sind. (Georg Herrnstadt, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 17.9.2011)