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Chinas Renminbi als künftige Weltreservewährung? Könnte passieren.
derStandard.at: Ihr Thema sind globale Anleihen, somit auch die Schwellenländer. Schauen Sie derzeit auch auf Griechenland?
Robert Senz: Gute Frage. Ist Griechenland ein Schwellenland? Wen man neudeutsch von Emerging Markets spricht, denkt man in erster Linie an jene Länder, die eine positive Dynamik haben, wo es eine gewisse Aufbruchsstimmung und Verbesserung gibt. Also all das, was wir in Griechenland nicht sehen. Früher war es oft so, dass Emerging Markets kein Investment-Grade-Rating hatten, die waren alle Sub-Investment-Grade. Zu einem guten Teil hat sich das schon verändert. Unter diesem Blickwinkel wäre Griechenland natürlich als Nicht-Investment-Grade ein klassisches Schwellenland. Griechenland riecht und schmeckt aber nicht wie ein klassisches Schwellenland, wie China, Indien, Brasilien. Griechenland ist leider am absteigenden Ast.
derStandard.at: Die Prognosen für die Emerging Markets sind aller Krisen zum Trotz bisher im Großen und Ganzen recht gut. Könnte sich das ändern, sollte die Währungsunion zu keiner raschen Lösung für alle unsere Probleme kommen?
Senz: Es herrscht ja, wie wir wissen, ein riesiges Durcheinander. Daran sind nicht die Schwellenländer Schuld, sondern die etablierten westlichen Märkte und die Politiker dieser westlichen Wirtschaften. Sie haben einfach zu lange zugeschaut, wie sich die Schuldenberge aufgetürmt haben. In den USA ist außerdem zu lange der Konsum mit Pump aus der Zukunft ins heute gebracht worden. Ja, es ist eine gewisse Bedrohung da, dass auch Länder wie China und andere in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die etablierte westliche Welt und vor allem Europa auf Grund der Streitigkeiten nicht mehr wachsen können .
derStandard.at: Warum genau?
Senz: Bleiben wir bei China. Für China sind Europa und die Vereinigten Staaten ein sehr wichtiger Absatzmarkt. Wenn Europa sich überspitzt formuliert selbst ins Mittelalter zurückschießt, dann ist das für die Absatzpolitik Chinas auch nicht von Vorteil. Die Chinesen sind schon auch an Stabilität interessiert. Darum auch die wiederkehrenden politischen Statements, China wolle Europa unter die Arme greifen, wie auch immer das konkret aussieht.
derStandard.at: Wir haben dieser Tage wieder gehört, dass nach China auch die anderen großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und Südafrika über Hilfen für die Euro-Staaten nachzudenken. Dahinter steckt also keineswegs Altruismus?
Senz: Das ist ein Geben und Nehmen. Russland zum Beispiel ist sehr froh gewesen, als der Euro gekommen ist. Ich zitiere den Ex-Zentralbankchef, der vor vielen Jahren hier in Wien sinngemäß gemeint hat, dass man endlich der Tyrannei des Dollars entfliehen und den Euro auch als zweite Handelswährung nutzen kann. Wenn der Euro wegbricht, ist man wieder nur im Dollar. Auf der anderen Seite gibt es natürlich die interessante These, dass wir jetzt vielleicht sogar die Geburt einer neuen Weltreservewährung sehen.
derStandard.at: Sie sprechen von der chinesischen Währung?
Senz: Nicht 2011 aber vielleicht in den nächsten Jahren, wenn der Renminbi dann auch frei konvertierbar ist. Das Szenario gewinnt zumindest an Bedeutung. Die USA stehen ja auch nicht wirklich toll da mit ihrer Verschuldungspolitik.
derStandard.at: Das heißt, wenn man Indikatoren wie Wachstum und Wirtschaftspolitik in Rechnung nimmt, ist die Chance, das China an Gewicht zulegt, größer, als jene, dass die Eurozone ihre Bedeutung verstärkt?
Senz: Darauf gibt es keine Antwort, da fehlt uns eine Kristallkugel. Tatsächlich wird es davon abhängen, wie alle mit ihren Problemen umgehen. Aber die etablierten Wirtschaften, wozu auch wir gehören, sind im ganzen Produktzyklus schon eher am Ende. Nicht jeder Einzelne, aber als Gesellschaft sind wir saturiert. Hier werden wohlerworbene Rechte verteidigt, es gibt sehr viel Bürokratie und die Dynamik lässt nach. Daneben gibt es eben auch Wirtschaftsräume, allen voran China, die letztendlich eine Diktatur sind, wo man sich nicht sehr mit Bürgerrechten plagt. Das ist zumindest ökonomisch eine Zeitlang von Vorteil. Ob sich das wirklich durchsetzt, weiß ich nicht.
derStandard.at: Gerade China hat aber auch ökonomisch allerhand Probleme. Nehmen wir nur die Inflation.
Senz: Die Preisinflation war vor ein paar Monaten ein größeres Thema. Natürlich ist nicht gesagt, dass sich aufgrund der Preissteigerungen bei Lebensmittel nicht auch in China einmal die Massen erheben. Fakt ist, dass diese Länder leichter wachsen, weil sie nach wie vor von einem niedrigen Niveau wegstarten.
derStandard.at: Wenn wir jetzt die Anleihen anschauen, noch einmal im Hinblick auf US- und Euro-Schuldenkrise, werden die Schellenländer plötzlich für Investoren als sichere Häfen an Bedeutung gewinnen?
Senz: Diese Theorie gibt es in der Tat und sie wird auch zunehmend von Verkäufern dieser Produkte ausgesprochen. Ich würde nicht soweit gehen. China ist eine kommunistische Diktatur. Ich fühle mich nicht wohl, wenn man sagt, dass eine kommunistische Diktatur der sichere Hafen für meine Investments ist. Da wird das Kind mit dem Bade ausgegossen. Für den österreichischen Anleger ist der klassisch sichere Hafen immer noch der Bundesschatz. Stichwort Inflationsrisiko: Da könnte ich noch einen inflationsgeschützten Bond der Bundesrepublik Deutschland kaufen. Ich glaube. das sind die realen und nominellen sicheren Häfen. Ein Sparbuch einer systemrelevanten Bank gehört auch dazu.
derStandard.at: Der sichere Hafen kostet sehr viel Nutzungebühr. Was, wenn ich mich ein bisschen hinauswagen will?
Senz: Im sicheren Hafen verdient man nichts. Das ist leider die Kehrseite der Medaille. Wenn ich doch ein bisschen mehr verdienen will, dann finde ich es sehr reizvoll, wenn man sich gewisse Schwellenländer auch anschaut. Wir haben im Vorjahr zum Beispiel ein Produkt gebracht, das sich Global Fundamental Rent nennt. Das ist ein Fonds, der genau in jene Rentenmärkte investiert, wo die Schuldnerländer aus verschiedensten Blickwinkeln heraus eine hohe Chance gewähren, das Geld dem Investor wieder zurückzugeben.
derStandard.at: Wie ist die Strategie angelegt?
Senz: Dieser Fonds geht nicht nur von marktökonomischen Faktoren aus, sondern auch von demografischen Entwicklungen. Aber es geht auch um die Frage, wie korrupt ein Land ist. Der Fonds ist ungefähr zur Hälfte in Schwellenländer investiert - unter anderem in Thailand, Indonesien, Malaysien, Mexiko, Türkei, Russland. Bei 36 Ländern sind zwölf Emerging-Markets und 24 entwickelte Länder, darunter Schweden, Schweiz, Korea, Norwegen, Finnland, Slowakei, dabei. Österreich oder Deutschland kommen gar nicht vor.
derStandard.at: Viele Anleger gehen davon aus, dass Länder in den Emerging-Markets korrupter oder risikoreicher sind, als jene der entwickelten Länder? Ist das mit Blick auf die aktuelle Lage ein Trugschluss?
Senz: Ich glaube was Korruption betrifft, lernen wir gerade als Österreicher derzeit so manche Lektion. Insgesamt ist sicher ein Wandel zu sehen. Man darf nicht vergessen, Anfang der 50er Jahre hätten auch die wenigsten darauf gesetzt, dass Europa so durchstartet. Was man aber auch nicht vergessen darf: Etliche Länder in den Emerging Markets haben mit Demokratie nicht viel zu tun. In vielen werden die Menschenrechte getreten und geschunden. Aber letztendlich sehen wir uns vielleicht zu positiv und die Emerging Markets sieht man zu negativ. Wenn man sich die Volatilitäten an den Aktienmärkten und die Kursentwicklungen von den Emerging Markets oder die Rating-Aktionen anschaut, sieht man schon den Wandel der Risikowahrnehmung. USA ist runtergestuft worden im Rating und die meisten Emerging Markets werden raufgenommen. (Regina Bruckner, derStandard.at, 18.9.2011)